Dirk Felzmann, Professor für Geographiedidaktik, zum Umgang mit doppelt komplexen Fragestellungen im Geographieunterricht
Im Rahmen der Roadmap 2030-Initiative des Hochschulverbandes für Geographiedidaktik soll der Geographieunterricht nachhaltig gestärkt und die Bedeutung des Faches Geographie für die Bearbeitung wichtiger Zukunftsthemen wie Klimawandel, Migration etc. hervorgehoben werden. Zusammen mit dem Westermann-Verlag entsteht die Reihe „15 Minuten Geographie“, für die Geographiediaktiker*innen sich direkt an Lehrkräfte wenden zu wichtigen didaktischen Themen. DIe Reihe wird schrittweise auf 12 Unterrichtseinheiten ausgebaut, die mit einem dazugehörigen Unterrichtsverlaufsplan und Arbeitsmaterialien über die Schullizenz Diercke Atlas Plus bezogen werden kann. Da im Fach Geographie z. B. in der Bildung für Nachhaltigkeit oder der politischen Bildung ethischen Fragestellungen von hoher Relevanz sind, wird die Reihe auch Ethiklehrkräften empfohlen.
Im Beitrag „Sach- und Werturteile“ stellt der Universitätsdidaktiker Dirk Felzmann von der PH Ludwigsburg eine für den Geographieunterricht pragmatische Unterscheidung von Sach- und Werturteil vor, die an das Konzept der sogenannten doppelten Komplexität (=sachlich und ethisch komplexe Problemstellungen) anschließt; Prof. Dr. Dirk Felzmann ist als Geographiedidaktiker spezialisiert auf Fragen nach der Förderung von Schüler*innen beim Fällen von Urteilen zu Kontroversen im Mensch-Umwelt-Kontext:
Viele Themen des Geographieunterrichts, insbesondere Themen im Zusammenhang mit BNE und dem Globalen Lernen, zeichnen sich nicht nur durch ihre faktische, sondern auch durch ihre ethische Komplexität aus (Ohl, 2013, S. 5). Um dieser ethischen Komplexität im Geographieunterricht zu begegnen, hat sich die fachdidaktische Forschung lange Zeit mit der moralischen Urteilskompetenz beschäftigt, bei der die (moralische) Haltung der Lernenden im Zentrum der Betrachtung steht (Meyer & Felzmann, 2010). Erst in den letzten Jahren finden sich Beiträge, die die mit diesem Ansatz verbundene Orientierung an einer Werte-Ethik und den möglichen Relativismus, der bei einem so umgesetzten Unterricht vermittelt werden kann, kritisieren und stattdessen das Erfassen bzw. das Verstehen des ethischen Problems innerhalb eines geographischen Sachgegenstands fokussieren (Ulrich-Riedhammer, 2017). Ulrich-Riedhammer (2017) spricht sich für eine fragende Form des Verstehens ethischer Probleme aus, welche sie als „ethisches Urteilen im Geographieunterricht“ bezeichnet und als „Unterscheidung innerhalb ethischer Fragen“ (Ulrich-Riedhammer, 2017, S. 106) definiert. Allerdings ist über die Schrittfolge zur Umsetzung eines solchen ethischen Urteilens im Geographieunterricht wenig bekannt, so dass es bislang kaum prototypische Unterrichtseinheiten für Lehrkräfte gibt (bislang nur Mehren & Ulrich-Riedhammer, 2021). Zwar gibt es in der Biologiedidaktik konkrete Schritte zur Implementierung des ethischen Urteilens in den Biologieunterricht (Hößle & Neele, 2014), allerdings wird in der Biologiedidaktik ethisches Urteilen eher als ein Urteilsprozess und weniger als ein Unterscheiden innerhalb ethischer Fragen verstanden. Ziel […] [der Forshcung von Dirk Felzmann] ist die Entwicklung von Gestaltungskriterien zur Umsetzung eines solchen ethischen Urteilens im Geographieunterricht. Dazu müssen die Schritte des ethischen Urteilens bestimmt werden, um themenunabhängige Lehr-Lern-Umgebungen für GeographieschülerInnen der Oberstufe zu entwickeln und um die Leistungen der SchülerInnen mittels einer Diagnosematrix einordnen zu können.
RPTU Geographiedidaktik – Ethisches Urteilen im Geographieunterricht (2024)
Text: Stefan Applis unter engem Bezug auf RPTU Geographiedidaktik – Ethisches Urteilen im Geographieunterricht (2024) & https://geographiedidaktik.org/ueber-die-roadmap-2030-initiative/
Bild: Westermann (2024)
Ausgewählte Literatur von Dirk Felzmann zum Thema
Laub, J., Horn, M. & Felzmann, D. (2021): Fachbezogenes ethisches Professionswissen von Geographielehrkräften als eine Voraussetzung für die Förderung ethischen Urteilens im Geographieunterricht. Zeitschrift für Geographiedidaktik, Jg. 49, H.1, S. 1-13
Felzmann, D. & Basten, T. (2020): Vegetation zerstören und Wölfe schießen. Naturschutz in der Lüneburger Heide reflektieren. Praxis Geographie, Jg. 50, H.5, S. 42-47
Felzmann, D. & Laub, J. (2019): Ethisches Urteilen im Geographieunterricht fördern. Praxis Geographie, Jg. 49, H.10, S. 4-11
Felzmann, D. (2017): Warum wird Regenwald in Zentralsulawesi gerodet? Wie interdisziplinäre Forschung Ursachen und Lösungsansätze für eine konkrete Region ermittelt. Praxis Geographie, Jg. 47, H. 5, S. 32 – 43
Felzmann, D. (2016): Ein Verteilungsschlüssel für die Flüchtlinge in der EU? Mit Hilfe des praktischen Syllogismus Urteile analysieren und fällen. Praxis Geographie, Jg. 46, H.1, S. 28-33