Haben in wohlhabenden Gesellschaften lebende Menschen die Pflicht weit entferntes Leid wie etwa die Folgen von globaler Armut, Hungersnöten oder Krankheiten zu lindern?

Peter Singer begründet in seinem Buch "Hunger, Wohlstand und Moral" das Konzept des "Effektiven Altruismus", innerhalb dessen er einen Weg aufzeigt, durch Entwicklungsunterschiede entstandene Ungerechtigkeit, etwa in Folge u.a. kolonialer Politiken, zu bekämpfen. Die darin entfaltete Argumentation ist Ethik- und Philosophielehrkräften i.d.R bekannt, wenn auch nicht in der in dem Online-Lehrbuch zum Utilitarismus aufbereiteten, für den Unterricht sehr gut einsetzbaren Form, die eine prägnante, verständliche und ansprechende Einführung in den modernen Utilitarismus bietet. Da die ethischen Inhalte dieser Website für eine breite Leserschaft verständlich sein sollen und deshalb philosophischer Fachjargon soweit möglich vermieden wird, werden sie auch Politik- und Geographielehrkräften empfohlen, die meist nur die faktischen Aspekte der mit Hunger und Wohlstandsverteilung verbundenen Themenfelder im Unterricht behandeln. Eine ethische Position z.B. innerhalb einer "Verfassungsviertelstunde" zu solchen Fragen einnehmen zu können, ist auch für Politik- und Geographielehrkräfte von grundlegender Bedeutung.

Utilitarismus ist nicht eine bestimmte Sichtweise, sondern eine Familie verwandter ethischer Theorien. Gemeinsam ist diesen Theorien ein Fokus auf das Bestreben, durch das Erhöhen des Wohlergehens aller empfindungsfähigen Wesen die besten Konsequenzen für die Welt herbeizuführen. Der Utilitarismus vertritt die Auffassung, dass wir das Wohlergehen aller Individuen unabhängig von Merkmalen wie Geschlecht, Ethnie, Nationalität oder sogar Spezies gleichermaßen moralisch berücksichtigen sollten. Die ursprüngliche und einflussreichste Version des Utilitarismus ist der klassische Utilitarismus, der erstmals in den Schriften von Jeremy Bentham und John Stuart Mill formuliert wurde. Der klassische Utilitarismus geht davon aus, dass ein gutes Leben auf den subjektiven bewussten Erfahrungen von Individuen beruht. Ein gutes Leben ist voller positiver bewusster Erfahrungen wie Vergnügen, Glück und Zufriedenheit, während ein schlechtes Leben viele negative bewusste Erfahrungen wie Leiden und Schmerz enthält. Der klassische Utilitarismus besagt, dass wir so handeln sollten, dass die Welt die größte Summe an positiven minus negativen Erfahrungen enthält. (utilitarismus.net)

Das Argument

Peter Singer argumentiert, dass wir, wenn „wir weit entferntes Leid sehen — wie etwa die Folgen von globaler Armut, Hungersnöten oder Krankheiten“ (ebd), dazu neigen zu denken, dass Helfen moralisch optional sei, wir also nicht dazu verpflichtet seien zu helfen, selbst wenn wir sehr leicht mehr Geld an wirksame Hilfsorganisationen spenden könnten, um zu helfen“, denken wir, dass dies „über die Pflicht hinausgehen“ würde. „Es wäre zwar großzügig, mehr zu spenden, aber es wird nicht verlangt. Wir gehen davon aus, dass es völlig in Ordnung ist, unser Geld stattdessen für teure Kleidung, Reisen, Unterhaltung oder andere Luxusgüter auszugeben. Singer argumentiert jedoch, dass diese Annahme falsch ist. Stattdessen, so argumentiert er, ist es moralisch sehr falsch, im Überfluss zu leben, während andere sterben.“ (ebd.)

Singers Argumentation stützt sich auf das zentrale moralische Prinzip der Pflicht zur Rettung, welches sich zunächst „nicht auf den Utilitarismus als Prämisse [stützt]. P1 – P4 sind allesamt Forderungen, die Nicht-Utilitaristen (und sogar Nicht-Konsequentialisten) akzeptieren könnten“ (utilitarismus.net, o.J.):

Die Eingängigkeit der Prämissen und der Schlussfolgerung wirft naheliegenderweise die Frage auf, ob eine so radikale Schlussfolgerung wirklich wahr sein kann. Im Folgenden prüft der Beitrag auf utilitarismus.net in gut nachvollziehbarer Sprache Prämissen und Schlussfolgerung, die in der Literatur bekannten Einwände vor und diskutiert diese. Um als Lehrperson zum einen sicher im Umgang mit Fragen zu globaler Ungerechtigkeit und daraus folgenden Pflichten zu sein und zum anderen glaubwürdig zu sein, erscheint es mir wichtig, dass man mit allen damit zusammenhängenden Argumentationen grundlegend vertraut ist, um für Schüler*innen ein*e unterstützender Gesprächspartner*in in diesem Fragen zu sein.

Effektiver Altruismus

Schaffe so viel Glück, wie du schaffen kannst; beseitige so viel Elend, wie du beseitigen kannst. Ein jeder Tag wird dir erlauben, wird dich dazu einladen, etwas zur Freude anderer beizutragen oder etwas ihrer Schmerzen zu mindern. – Jeremy Bentham

Was es aus der Sicht des Utilitarismus bedeutet, ein ethisches Leben zu führen, wird von vielen Utilitaristen in der Idee des effektiven Altruismus gefasst. Die weltweit ungleiche Verteilung von Reichtum und Armut „bedeutet, dass wohlhabende Bürger in reichen Ländern hervorragende Möglichkeiten haben, anderen zu helfen“ (ebd.). Ende 2022 besaß 1,1 Prozent der Weltbevölkerung rund 45,8 Prozent des weltweiten Vermögen. Rund 52,5 Prozent der Weltbevölkerung besaßen hingegen lediglich 1,2 Prozent des weltweiten Vermögens (Statistika 2024),.

Da nach der Ethik des Utilitarismus, wie oben dargelegt, jeder Mensch die Pflicht hat die Welt, so gut wie möglich zu verbessern, soll er seine persönlichen Ressourcen nutzen, um einen Beitrag hierzu zu leisten. Da wir „als Einzelne und sogar als globale Gesellschaft nicht alle Probleme der Welt auf einmal lösen können“ (utilitarismus.net), heißt das, „dass wir Entscheidungen darüber treffen müssen, wie wir die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen am besten einsetzen. Da nicht alle Wege, anderen zu helfen, gleichermaßen effektiv sind, sagt der Utilitarismus, dass wir sorgfältig abwägen sollten, welche Probleme wir mit welchen Mitteln angehen“ (ebd.).

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