Überblick – Schritte der Unterrichtsplanung

Den Hintergrund eines jeden didaktischen Modells (s. unten, Abb. 1) bildet eine bestimmte didaktische Theorie, hinter welcher ggf. eine weiter gefasste didaktische Theorie wie eine Allgemeindidaktik oder Bildungstheorie steht, die ihrerseits verbunden ist mit einer oder mehreren damit kompatiblen Lerntheorien; die folgenden Beiträge auf Doing Geo & Ethics bieten als Beispiele hierfür Einführungen in das Allgemeinbildungsmodell Klafkis (Bildungstheorie) und den Thinking-Through/Learning-Thinking-Ansatz (Lerntheorie):

Im gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht kommt der Aktualisierung von Lehrplanthemen eine besondere Bedeutung zu. D.h., dass z. B. im Geographieunterricht bei der Behandlung allgemeiner Konzepte im Zusammenhang mit Fragen des Klimawandels, konkrete Beispiele zu wählen sind, die für die Schüler*innen Gegenwarts-, Zukunfts- und exemplarische Bedeutung haben.

Abb. 1: Perspektivschema der Unterrichtsplanung (Applis 2024 unter Bezug auf Klafki 1985, 272)

Im Ethikunterricht wäre entsprechendes bei allgemeinen Themen wie Freundschaft oder Gerechtigkeit zu leisten, im Politikunterricht bei Fragen nach dem Zusammenhang von Gerechtigkeit und Gemeinschaft, Krieg und Frieden etc. Haben wir nach dem Modell des Perspektivschemas der Unterrichtsplanung nach Klafki (Abb. 1) die Schritte 1, 2 und 3 vollzogen und sind zu einer begründeten didaktischen Reduktion gelangt (vgl. Abb. UP2), stehen nun die Schritte 4, 5 und 6 vor uns, innerhalb derer die Inhalte als Unterrichtsthema z. B. in einer 45 Minuten, 90 Minuten oder länger dauernden Unterrichtseinheit strukturiert werden sollen. Zu den Schritten 4 und Schritt 5 wird man dabei immer wieder zurückkommen, weil sich im Erkenntnisprozess der begründeten Auswahl von u. a. Unterrichtsmethoden auch Unterrichtsziele ändern werden oder ergänzt werden müssen – anders formuliert: Schritt 4 und 5 sind der planerische Ort, an dem alle Überlegungen gesammelt und begründet zusammengesetzt werden. Falls die Planung nicht für eine Unterrichtstunde respektive Unterrichtseinheit, sondern für mehrere Unterrichtseinheiten innerhalb einer Unterrichtssequenz erfolgt, beziehen sich die oben angestellten Überlegungen auf alle einzelnen Stunden in Folge und auf die gesamte Sequenz – die Inhaltsstruktur entwickelt sich über mehrere Unterrichtsstunden hinweg, die einzelnen Unterrichtsthemen werden der erarbeiteten Strukturlogik entsprechend aneinandergereiht.

Modellbasierte Planung einer Unterrichtseinheit

Um zur differenzierten Planung der Unterrichtseinheit übergehen zu können, benötigt man ein weiteres didaktisches Modell, innerhalb dessen sich die Schritte 4, 5, 6 und 7 übersichtlich darstellen lassen; dieses Modell muss kompatibel mit den verwendeten Lerntheorien, Bildungstheorien, didaktischen Theorien und Modellen der Strukturierung didaktischer Überlegungen sein. Didaktische Theorien, Modelle und untergeordnete Konzepte sind kein Selbstbedienungsladen, aus dem man alles herausnehmen und nach seinen subjektiven Alltagstheorien vom Lehren und Lernen zusammenbauen sollte. Selbstverständlich gehen viele Lehrkräfte in der Praxis so vor – haben die eigenen Überlegungen aber keine konsistente Grundlage, sind Fehler in der Unterrichtsdurchführung unvermeidbar. Erfahrene Lehrkräfte, bei denen sich über die Jahre eine Art intuitive Stimmigkeit eingestellt hat zwischen Planung, Vorgehen und Durchführung, sehen bei Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern sofort, wo es sozusagen holpert, wo etwas nicht flüssig vonstattengeht, ohne dass sie genau benennen können, wo der Fehler liegt – bei der Bewertung von Prüfungslehrproben etc. spielen solche Intuitionen oft eine große Rolle.

Als Strukturmodell des Unterrichts kann z.B. das hermeneutische Modell von Jank & Meyer (2021, 60ff.) gelten, das fünf Strukturmomente der Gesamtstruktur – auch als fünf Grundkategorien bezeichnet – von Unterricht abbildet (Abb. 2), der wiederum als mehr oder weniger planmäßige Interaktion von Lernenden und Lehrenden verstanden werden kann zum Aufbau von Sach-, Selbst- und Sozialkompetenz (vgl. Klafki Abb. UP 1, Kap. 4.1).

Abb. 2: Strukturmodell des Unterrichts (Applis 2024 u. Bezug auf Jank & Meyer 2018/2021, 63)

Jedem Strukturmoment werden wiederum zwei Dimensionen zugeordnet, die eine innere und eine äußere Seite des Strukturmoments fassen. Unter anderem wird so der Blick darauf gerichtet, dass z. B. jede Unterrichtsmethode auf eine „oberflächliche“ und eine „tiefe Weise“ durchgeführt werden kann. Eine oberflächliche Durchführung wäre am Beispiel des Frontalunterrichts ein Unterrichten, das ohne Rückfrage annimmt, dass alle dem Vortrag auf die gleiche Weise folgen und alle die Inhalte auf dieselbe Weise verstehen, bei dem die Lehrkraft die Wissensinhalte also quasi „in die Köpfe der Schülerinnen und Schüler“ transferiert. Ein produktives, stark durch die Lehrperson geführtes, am Lehrgang ausgerichtetes Lehren und Lernen entfaltet seine Wirkungen aber durchaus unter bestimmten Bedingungen, z. B. der einer förderlichen Feedbackkultur oder der einer produktiven Beziehungsstruktur etc. Jank & Meyer (2021, 62) bezeichnen dies als die Logiken des Unterrichts, gefasst als Lehr-Lern-Logik, Sachlogik, Beziehungslogik, Handlungslogik – somit kann prinzipiell jede Unterrichtsmethode, egal ob im offenen oder geschlossenen, im Frontal- oder im Projektunterricht entlang dieser Logiken beschrieben werden.

Unter Zuhilfenahme des Strukturmodells lassen sich Einblicke in die Komplexität des Unterrichts gewinnen; das Modell ist einerseits deskriptiv, „weil es einen analytisch vollständigen Kategoriensatz zur Beschreibung von Unterricht darstellt […] [, andererseits normativ, weil es davon ausgeht, dass die beteiligten Personen zielorientiert und nachvollziehbar planen und handeln. Aber ebenso klar ist, dass nicht aller Unterricht planmäßig abläuft. Das Modell schließt Scheitern also nicht aus, misst den Unterricht aber an dem, was von der Struktur her möglich sein müsste“ (Jank & Meyer 2021, 71):

  • Zielstruktur: Zielabsprache und Vereinbarungen über zielgerichtetes Handeln lassen sich nie monologisch dekretieren, nur auf Grundlage eines dialogischen Arbeitsbündnisses beschließen; die antinomische Grundstruktur des Handelns von Lehrkräften setzt hierarchiefreien Interaktionen Grenzen, die konstruktiv bearbeitet werden müssen. Die äußere Seite der Zielstruktur bilden Absprachen, Zielvereinbarungen etc., die innere Seite Absichten, Motivationen, Erkenntnisinteressen etc., die nicht direkt beobachtbar sind, Handlungen aber implizit leiten.
  • Inhaltsstruktur: Die Inhaltsstruktur ergibt sich aus der Didaktisierung von Unterrichtsthemen unter Berücksichtigung von Grundfragen nach der Bedeutsamkeit der Inhalte für Gegenwart und Zukunft der Schülerinnen und Schüler, der Berücksichtigung lerntheoretischer sowie didaktisch-methodischer Aspekte im Verhältnis zur Lerngruppe mit dem Ziel die zu behandelnden Inhalte zugänglich zu machen. Erst durch die Arbeit des Zugänglichmachens werden Inhalte zu Themen des Unterrichts.
  • Sozialstruktur: Die äußere Seite der Sozialstruktur besteht aus der räumlich-sozialen Gestaltung der Interaktionen zwischen den Schülerinnen und Schülern und der Lehrkraft; die vier grundlegenden Sozialformen (Frontalunterricht, Gruppenunterricht, Tandemunterricht, Einzelarbeit) ermöglichen bestimmte Aktionsformen; jede Unterrichtsmethode benötigt auch eine Moderation der Sozialform, so dass sich die angestrebten Aktionsformen entfalten können; komplexere Sozialformen benötigen Vertrauen und stabile Arbeitsbündnisse; ohne Beziehungsarbeit können die gesetzten Unterrichtsziele nicht verfolgt und erreicht werden (s. Kap. 3.3).
  • Handlungsstruktur: Die Gestaltung von Lehr-Lernprozessen erfordert es, die Handlungen der Lehrperson (Lehraktivitäten, z. B. stummer Impuls, Bildimpuls, Argumentation durchführen, Präsentation von Gruppenergebnissen moderieren etc.) und die der Schülerinnen und Schüler (Lernaktivitäten, z. B. eine Präsentation erstellen, Argumentieren im Streitgespräch, ein Rollenspiel durchführen) zu antizipieren und zu planen; die äußere Seite richtet sich auf die Aufgabenkonstruktion und die Festlegung der Tätigkeiten zur Umsetzung der Aufgabenerwartungen; die innere Seite richtet sich auf das tiefe Durchführen einer Aufgabe, das wiederum nur aus einer klaren Inhaltsstruktur und einem von wechselseitiger Wertschätzung getragenen Arbeitsbündnis erwachsen kann, wozu zudem Klarheit über den methodischen Gang etc. vonnöten ist.
  • Prozessstruktur: Die äußere Seite der Prozessstruktur ist die Segmentierung der Unterrichtseinheit in Schritte und Zeitintervalle; die innere Seite entfaltet sich in einer folgerichtigen Verknüpfung der einzelnen Segmente, in einer logischen Einbindung bestimmter Sozial- und Aktionsformen, im richtigen Überführen der Lerngruppe von einer Phase zur nächsten; man unterscheidet grob die folgenden Schritte: Stundeneröffnung, Einstieg, Erarbeitung, Ergebnissicherung, Anwendung, Transfer, Ausblick, Wiederholung (vgl. Abb. 3); jeder Schritt hat eine bestimmte didaktische Funktion, in jedem Schritt erfüllt eine handelnde Person eine Aufgabe, die mit der Gesamtstruktur logisch verknüpft ist.

Abb. 3: Grundstruktur von Unterrichtsschritten und möglichen Aufgaben (Applis 2024)

Unterrichtsbeispiel unter Anwendung des Strukturmodells (Abb. 2)

Im folgenden Unterrichtsbeispiel wird ein Modell der Entscheidungsfindung (Ziele: Lehr-Lern-Logik, Handeln: Handlungslogik) eingeführt. Die Stunde wird von einem fiktionalen Setting gerahmt (Inhalte: Zugänglichkeit). In diesem Setting entscheidet eine Familie über eine Lösung für das Problem, welches Verkehrsmittel sie wählen sollen zum Erreichen ihres Urlaubszieles Paris (Zielstruktur) (Inhalt: Sachlogik). Um eine (moralisch) gute Entscheidung treffen zu können, muss zunächst die Bewertung und Beurteilung der verschiedenen Handlungsalternativen (Inhalt: Sachlogik) vorangestellt sein. Obwohl im Alltag vielfältige Entscheidungssituationen intuitiv entschieden werden (Inhalt: Zugänglichkeit), da menschliches Handeln in der Regel von vielen Vorstellungen, Erfahrungen und Assoziationen beeinflusst wird, sollte diesem intuitiven Bewerten, welches durchaus seine Berechtigung hat (vgl. Dittmer & Gebhard 2012), ein rationales Entscheidungssystem an die Seite gestellt werden, um die Schülerinnen und Schüler in reflektierten Handlungsweisen zu bestärken (Inhalt: Sachlogik; Ziele: Zielvorgaben; Handeln: Handlungslogik). Für die Förderung verantwortlichen und vor allem nachhaltigen Handelns bedarf es also zunächst einer reflektierten Entscheidung, die auf Bewertungskompetenzen zurückgreifen muss. Hierfür liefert das vorgeschlagenen Modell einen Rahmen. Der Stundenverlauf ist stark geleitet, da gemeinsam mit der Lerngruppe ein Prozess der Entscheidungsfindung nach einem festen Modell durchlaufen werden soll (Beziehung: sozialräumliche Gestaltung, Beziehungsarbeit; Handeln: Handlungslogik, Lehr-Lern-Formen; Zeit: Unterrichtsschritte, methodischer Gang). Das Durchlaufen des Prozesses wird durch Arbeitsmaterial unterstützt, auf dem die eigenen und die gemeinsamen Überlegungen festgehalten und ein Ergebnis für eine Entscheidungswahl berechnet wird. Nach diesem von Bögeholz & Eggert (2006) in der Biologiedidaktik etablierten Modell zur Entscheidungsfindung werden zunächst die verschiedenen wählbaren Optionen zum Umgang mit der defekten Waschmaschine aufgelistet. Anschließend werden die relevanten Bewertungskriterien ausgewählt (zum Beispiel Kosten, Zeitaufwand oder Komfort) und entsprechend der beim Entscheider vorherrschenden Wertvorstellungen ihrer Relevanz nach gewichtet, wobei auch ethische Aspekte berücksichtigt werden können. Nachdem die Sachinformationen in Relation zu den normativen Werthaltungen der entscheidenden Person gesetzt wurden, kann eine Rangfolge berechnet werden, um die innerhalb des konstruierten Falls bestmögliche Entscheidung zu ermitteln. Der Ausdruck in Zahlen suggeriert hier eine Messbarkeit der Handlungsoptionen, die so selbstverständlich nicht gegeben ist. Da es aber Ziel dieses Entscheidungsfindungsmodells ist, eine pragmatische Handlungsanweisung für einen konkreten Fall zu erhalten und nicht etwa grundsätzliche Moralvorstellungen zu bewerten, ist das in Zahlen klar ablesbare Ergebnis von Vorteil. Da die oben erläuterte doppelte Komplexität meist über die Grenzen des naturwissenschaftlichen wie auch über die des Ethikunterrichts hinausreicht, ist eine didaktische Reduktion der verschiedenen Komplexitäten zwingend erforderlich (vgl. Dittmer & Gebhard 2012, S. 82). Die Einführung des systematischen Bewertens in der Arbeit bereits mit 10- bis 12-Jährigen ist dennoch gerechtfertigt, da die Schülerinnen und Schüler so progressiv auf den Umgang mit steigender faktischer wie ethischer Komplexität vorbereitet werden (vgl. u.a. Bögeholz & Eggert 2005). In den durch das Arbeitsmaterial moderierten, in drei Phasen aufgeteilte wiederholte Entscheidungsprozess können auch mögliche Kritikpunkte an der getroffenen Entscheidung, einerseits hinsichtlich der faktischen Aspekte der Aufgabe (beispielsweise aufgrund einer unterkomplexen Faktenlage), andererseits hinsichtlich der ethischen Komplexität (etwa bei ungerechtfertigter Gewichtung der Faktoren) reflektiert werden. Die Strukturmomente sind eng mit dem Ziel der Aufgabe verbunden, das im Vollziehen zweier einander nachgeordneter Bewertungsprozesse besteht (zeitliche Abfolge/Prozessstruktur). Folglich ist der Unterrichtsgang stark durch die Lehrkraft entlang der Aufgaben des Arbeitsblattes geführt, das eine zweiteilige Erarbeitungsphase und eine abschließende Phase der Reflexion vorgibt. Als Sozialformen sind lediglich Frontalunterricht, Einzelarbeit und Partnerarbeit vorgesehen, wobei soziale und affektive Unterrichtsziele kognitiven Unterrichtszielen nachgeordnet sind. Das kognitive Vollziehen von Urteilen und Bewertungen stellt jedoch nur eine Facette der Ziele dar, die im Geographieunterricht verfolgt werden. Noch wichtiger im Bereich des sozialen, moralischen und demokratischen Lernens sind dialogische Lernformen (vgl. Kapitel 5), weshalb im folgenden Unterkapitel Sozial- und Aktionsformen noch einmal genauer in den Blick genommen werden sollen.

Im Folgenden findet sich das vollständige Unterrichtsmaterial in einem Beitrag von Carola Schneider für Doing Geo & Ethics, in dem das von Susanne Bögeholz (Georg-August-Universität Göttingen) und Sabina Eggert (Georg-August-Universität Göttingen) vorgeschlagene Modell zur Entscheidungsfindung zur Anwendung kommt. Die daneben stehende PP-Präsentation der beiden Autorinnen aus der Biologiedidaktik enthält als Beispiele für eine Anwendung in der Unterstufe (Sek. I) die Wahl eines Haustiers und die Wahl eines Apfels – für das letztere der beidden Beispiel findet sich weiter unten im Beitrag ein vollständiges Artikulationsschema für eine Unterrichtsstunde à 45 Minuten neben dem Artikulationsschema von Carola Schneider zur Wahl eines Transportmittels für eine Reise nach Paris.

Darstellungsformen der Unterrichtsplanung und produktiver Umgang mit begrenzten Zeitressourcen

Umgang mit begrenzten Zeitressourcen

Was Lehrkräfte, von allen Unterschieden hinsichtlich verschiedener Unterrichtsbedürfnisse abgesehen, eint, ist das Folgende: Für eine reflektierte Vorbereitung aller Stunden ist nie genügend Zeit. Wie also umgehen mit dieser Anforderung? Für manche Lehrkräfte ist das Leitmedium ihrer Unterrichtstätigkeit das Schulbuch, andere bevorzugen selbst erstellte Unterrichtsmaterialien. Schulbücher sind vor allem in Fächern wie Mathematik, Deutsch oder dem Fremdsprachenunterricht unerlässlich, weil mit den darin enthaltenen Aufgaben bestimmte instrumentelle Fähigkeiten über mehrere Jahrgangsstufen hinweg strukturiert gefördert werden sollen und in der Regel einheitliche Prüfungsformate vorliegen. In den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern ist das etwas anders, weil hier i. d. R. inhaltliche Themenfelder anstelle formaler Kompetenzen im Vordergrund stehen und soziale und kommunikative Kompetenzen komplexer strukturiert sind, wie das beispielsweise bei moralischer Urteilsfähigkeit und Demokratiefähigkeit der Fall ist, die von unterschiedlichen Herangehensweisen her gefördert werden sollen; entsprechend liegt das Erstellen von eigenen Unterrichtsmaterialien näher. Das folgende Vorgehen kann als Leitlinie für die Entwicklung der eigenen Praxis gelten unter Anerkennung der Tatsache, dass nicht alles zugleich auf demselben Niveau geleistet werden kann:

  • Klassenauswahl pro Jahr: Im Unterrichtsalltag können nicht alle Jahrgangsstufen und Fächer innerhalb eines Schuljahres auf demselben Niveau unterrichtet werden. Bei manchen Lehrpersonen sind es zwei, bei anderen ist es eine Klasse pro Jahr, die grundlegend vorbereitet werden kann, so dass nach einem Jahr ein Grundgerüst für jede Stunde zur Verfügung steht, das in einem zweiten Durchgang solidiert werden kann. Über die Jahre hinweg können so mehr und mehr Altersstufen und Fächer entwickelt werden.
  • Spezialisierung als Professionalisierung: Eine jede Lehrkraft hat Vorlieben für bestimmte Altersstufen und Fächer; solche Vorlieben sind meist verschieden verteilt in einem Kollegium: In der Praxis unterrichten Lehrkräfte, die ihre fachlichen und pädagogischen Vorlieben und Befähigungen kennen, effizienter, wenn sie sich auf bestimmte Jahrgangsstufen in ihren Fächern konzentrieren und in diesen ihre Unterrichtskompetenz reflektiert entwickeln.
  • Archivierung: Klassenauswahl und Spezialisierung benötigen ein solides System der Archivierung der bereits erarbeiteten Jahrgangsstufen, in der Regel in digitaler Form; Cloud-Systeme erlauben einen Zugriff auf Unterrichtsmaterial zu jeder Zeit und von jedem Ort aus. Lehrkräfte, die früh gute Entscheidungen treffen bezüglich eines funktionierenden Archivierungssystems können deutlich effizienter mit Zeitressourcen umgehen.
  • Leitmedien: In der Fächergruppe Philosophie/Ethik wiederholen sich bestimmte Themenfelder über die einzelnen Jahrgangsstufen hinweg, um komplexe soziale, moralische und demokratische Kompetenzen über immer neue Herangehensweisen zu fördern. Die didaktische Analyse nach Klafki erlaubt es, sich auf die Inhaltsstruktur von Themen zu konzentrieren über die Kategorien des Fundamentalen, Elementaren und Exemplarischen (s. Kap. 4.2, Kap. 6.1 und Kap. 6.2). So können Leitmedien wie Arbeitsblätter, PP-Präsentationen oder Spielformen entwickelt werden, die in mehreren Jahrgangsstufen in unterschiedlicher Komplexität einsetzbar sind; die in dieser Fachdidaktik präsentierten Arbeitsmaterialien stellen solche Leitmedien dar, von denen ausgehend unterschiedlich schwierige Fassungen, auch in einfacher Sprache für verschiedene Alters- und Leistungsstufen erstellt werden können (s. Mat. UP3).
  • Vollständige Stundenkonzeptionen: Die Vorbereitung sollte auf lange Sicht innerhalb vollständiger Stundenkonzepte erfolgen, da die aufwändigsten Überlegungen mit Blick auf das Strukturmodell des Unterrichts diejenigen sind, die hinsichtlich der vielfachen Verknüpfung von Ziel-, Inhalts-, Zeit-, Handlungs-, und Beziehungsstruktur angestellt werden müssen. Ich persönlich bevorzuge bis heute Ausdrucke der vollständigen Stundenentwürfe, die in Ordnern innerhalb von Unterrichtseinheiten gesammelt sind, weil mir dies ermöglicht, mit wenigen Blicken die darin fixierten Strukturmomente in ihrem Zusammenspiel zu erfassen.

Artikulationsschemata

Für die schriftliche Fassung von Unterrichtsplanungen gibt es verschiedene Schemata, die vorgeschlagen werden; allen gemein ist eine Zeit- und eine Handlungsleiste. Abhängig vom jeweiligen Ausbildungsort können darin auch Kompetenzformulierungen mit Teilkompetenzen gefordert werden, manche Ausbildungslehrkräfte sprechen lieber von kompetenzbezogenen Stundenzielen, andere verwenden weiter den älteren Begriff der Lernziele. Allen Konventionen gemein ist aber, dass eine nachvollziehbare Darstellung von Zeitstruktur und Handlungsstruktur erreicht werden soll, dass klare Phasen unterschieden werden, um Scharnierstellen deutlich zu machen, dass eingesetzte Mittel oder Medien festgehalten werden und dass die Sozialstruktur erkennbar ist (s. Artikulationsschemata und Stundenentwürfe unten).

Im folgenden ersten Beispiel eines Artikulationsschemas sind die Phasen des Unterrichtsverlaufs links vom Stundenverlauf notiert: Hier ist der Stundenverlauf in Stichpunkten notiert in jeder Phase; zusätzlich sind die wichtigsten Fragen vor allem für den Abschluss einer Phase ausformuliert – die Lehrkraft muss in dieser Notation geleitet vom Arbeitsverlauf Fragen improvisieren, was bei einfachen Verläufen und viel Gesprächserfahrung im Unterricht sicher ausreichend ist. Rechts in der Tabelle sind in bewährten und verbreiteten Kürzeln Sozialformen und Medien notiert.

Im zweiten Beispiel eines Artikulationsschemas sind neben den Phasen des Unterrichtsverlaufs, den Sozialformen und Medien für jede Phase Leitfragen vorformuliert, zum Phasenwechsel respektive zum Einstieg in eine neue Phase finden sich zudem entsprechende Formulierungen; zudem sind Lehrer*innen und Schüler*innenaktivität in Spalten getrennt voneinander notiert, was für manche übersichtlicher sein mag. Ein solche differenzierteres Vorgehen fällt etwas umfangreicher in der Vorbereitung aus, es erlaubt es der Lehrkraft aber eher die Unterrichtsstunde erst kurz vorher zur Hand zu nehmen und möglicherweise schneller einen Überblick zur Stunde zu erlangen.

Im Verlauf der Entwicklung der eigenen Praxis wird jede Lehrperson ein Schema für sich so anpassen, dass sie gut damit arbeiten kann. In der Hitze des täglichen Arbeitsbetriebes kann ein Artikulationsschema und ein entsprechend dokumentierter Unterrichtsentwurf nämlich eines garantieren: Dass man nicht am Vortag noch einmal weitere Stunden an Arbeit investieren muss, um in eine gut entwickelte und bereits mehrmals überarbeitete Stunde wieder hineinzufinden; ein gutes Konzept sollte innerhalb weniger Minuten wieder erschließbar sein, es sollte klar werden, welche Medien ggf. noch bereitgestellt werden müssen und welche Arbeitsmaterialien ggf. kopiert oder per Cloud an die Schülerinnen und Schüler versandt werden müssen. Bei der Erstellung der Stundenstruktur orientiert man sich an den oben dargestellten didaktischen Konzepten und Modellen (s. Abb. 1, Abb. 2 und Abb. 3). Eine gründliche Stundenvorbereitung erfüllt die folgenden Funktionen:

  • Herstellen innerer Stimmigkeit der Stundenstruktur durch reflektierte Berücksichtigung aller relevanter Strukturelemente des Unterrichts (vgl. Abb. 2).
  • Reibungsfreie Organisation der Sozialstruktur aller am Unterrichtsprozess Beteiligter durch nachvollziehbare Logik in der Abstimmung der geplanten Handlungen.
  • Konstruktiver Umgang mit unerwarteten Wendungen auf der Grundlage reflektierter Planung: Alternativen im Stundendurchgang, Auswirkungen auf Folgestunden, Zielvorgaben etc. abschätzen; Vorrang haben immer die von den Schülerinnen und Schülern eingebrachten Anteile am Lehr-Lernprozess.
  • Dokumentation des schöpferischen Prozesses (Sachanalyse, didaktische Analyse, methodische Analyse, Handlungschoreografie) für künftige Jahre.

Bögeholz, S. & Eggert, S. (2005): Systematisches Bewerten im Biologieunterricht. 3. zentrale Fortbildungstagung für Set-Koordinator(inn)en im BLK-Programm SINUS-Transfer. Soltau. http://www.sinus-transfer.de/fileadmin/MaterialienIPN/Boegeholz-Eggert.pdf

Dittmer & Gebhard (2012): Stichwort Bewertungskompetenz: Ethik im naturwissenschaftlichen Unterricht aus sozial-intuitionistischer Perspektive. In: Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaft, Jg. 18 (2012), S. 81-98. https://archiv.ipn.uni-kiel.de/zfdn/pdf/18_Dittmer.pdf

Klafki, W. (1995). Zum Problem der Inhalte des Lehrens und Lernens in der Schule aus der Sicht kritisch-konstruktiver Didaktik – In S. Hopmann & K. Riquarts (Hrsg.) Didaktik und/oder Curriculum. Grundprobleme einer international vergleichenden Didaktik. Weinheim: Beltz 1995. S. 91-102. https://doi.org/10.25656/01:10001

Klafki, W. (1986). Die Bedeutung der klassischen Bildungstheorien für ein zeitgemäßes Konzept allgemeiner Bildung. Herwig Blankertz in memoriam – In: Zeitschrift für Pädagogik 32 (1986) 4, S. 455-476. https://doi.org/10.25656/01:14397