In seinem Beitrag „Disruptionen in Zeitlupe? Sorgen in der digitalen Transformation“ für den Philosophieblog prae | faktisch.de beschäftigt sich Armin Grunwald vom Karlsruher Institut für Technologie mit der Frage, inwiefern mit der Digitalisierung einhergehende Herausforderungen das Zerbrechen bislang stabiler Verhältnisse mit sich bringen und arbeitet hierbei einerseits die Schnelligkeit eines solchen Zerbrechens heraus, andererseits aber auch ein sich über längere Zeiträume vorbereitendes, sich allmählich durch schwache Signale ankündigendes, dann plötzlich auftretenden Zerbrechen. Grunwald stellt die These auf, dass mit der zunehmenden Digitalisierung womöglich allmähliche Disruptionen innerhalb dieser einhergehen könnten.

Hierfür benennt Grunwald zunächst einige gängige Verwendungen des Wortes Disruption und die Bereiche, in denen sie verwendet werden (Krisen, Kriege etc.). Disruption bedeutet zunächst einmal, dass etwas zerbricht und zudem wird eine Disruption zumeist als schnelles Zerbrechen von etwas wahrgenommen. Grunwald weist darauf hin, dass sich Disruptionen entgegen der allgemeinen Wahrnehmung, sie würden plötzlich auftreten, bereits ankündigen und erst dann dazu führen, dass das plötzliche und schnelle Ereignis der Disruption auftreten kann. Als Beispiel hierfür führt er eine Materialermüdung an, die lange nicht sichtbar ist, aber dann, scheinbar ganz plötzlich, zu dem Zusammenbruch einer Brücke führt. Dennoch gibt es sicherlich frühere Anzeichen für dieses Ereignis. Sogenannte allmähliche Disruptionen sieht Grunwald als mögliche Herausforderung der Digitalisierung. So wie fossile Kraftwerke sowie Verbrennungsmotoren stetig dazu beitrugen die Klimakrise voranzutreiben, so könnten sich die Menschen nach und nach digitalen Technologien unterordnen und somit einen großen Teil ihrer Autonomie einbüßen.

Bei allmählichen Disruptionen, so Grunwald, sei es gerade zu Beginn (epistemologische Dimension) sehr schwer die Anzeichen zu identifizieren ohne sich einer haltlosen Spekulation hinzugeben. Die ethische Dimension hat dann die Aufgabe diese Entwicklungen zu beurteilen und ggf. als dringlich einzustufen. Danach werden die Anzeichen/Beweise auf der kommunikativen Ebene verhandelt, auf der es zu Über- sowie Untertreibung des Problems kommen kann. Zuletzt beschreibt Grunwald die tragische Dimension, die dann eintritt, wenn es zu einer Disruption kam, für die es zwar Anzeichen gegeben hat, aber deren Eintritt erst als erwiesen gelten kann, wenn sie bereits eingetreten ist.

Die nach und nach vom Digitalen abhängig gewordene Gesellschaft sieht Grunwald als mögliches Problem an, da z.B. vom Internet bereits die Wirtschaft sowie die Versorgung abhinge. Er sieht diese Entwicklung als mögliches Anzeichen einer allmählichen Disruption an, da die Menschen erst allmählich vom Digitalen abhängig wurden, aber das System z.B. durch einen Hackerangriff schnell und plötzlich zusammenbrechen könnte. Dabei würden die Folgen für unsere Gesellschaft schwerwiegend sein. Grunwald ist zudem der Meinung, dass die langen Jahre der mehr oder minderen Stabilität dazu geführt haben, dass sich die Menschen nicht vorstellen könnten, dass ein System zusammenbrechen kann. Dies wurde uns jedoch durch die Pandemie sowie den Krieg in der Ukraine wieder schmerzhaft in Erinnerung gerufen. Grunwald ruft aus diesem Grund zur interdisziplinären Arbeit auf, sodass Anzeichen von Disruptionen in Zukunft schnell und präzise beurteilt werden können sowie Handlungsmöglichkeiten für den Ernstfall entwickelt werden.

Im Unterricht könnte man im Rahmen der Zukunftsethik gerade bei diesen epistemologischen bzw. ethischen Dimensionen ansetzen. Thematisch sowie pragmatisch bietet sich hier als Einstieg vor allem die Klimakrise an, bei der man den Verlauf und gewisse points of no return für die Schüler*innen sichtbar machen kann. Im Sinne der Zukunftsethik könnten die Schülerinnen und Schüler danach mögliche Anzeichen von allmählichen Disruptionen in der Digitalisierung bearbeiten sowie Handlungsmöglichkeiten für den Fall einer Disruption entwerfen. Es bietet sich zudem an, Strategien mit den Schüler*innen zu entwerfen, wie und wann eine Handlungsnotwendigkeit besteht und wie diese zu identifizieren ist.

Text: Liv brunner (2022) unter engem Bezug auf Armin Grundwald (2023). Disruptionen in Zeitlupe? Sorgen in der digitalen Transformation. prae|faktisch.de

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