Ein systematischer und philosophiedidaktischer Entwurf von Philipp Thomas (PH Weingarten)

Philipp Thomas, Professor für Philosophie an der Pädagogischen Hochschule Weingarten, geht in seinem Text „Was heißt Orientierung durch Philosophie?“ der Frage nach den Möglichkeiten, die der Philosophie als Wissenschaft und als Fach der pädagogischen Vermittlung zugewiesen werden, Personen, die sich mit Philosophie beschäftigen, Orientierung zu geben. Vor allem in Schulkontext spielt die Annahme, dass die Auseinandersetzung mit Philosophie Orientierung vermittele, eine zentrale Rolle – sie begründet die Auseinandersetzung mit philosophischen Themen und Inhalten im schulischen Unterricht. In seinem Text legt Philipp Thomas die grundlegenden Argumente aus fachphilosophischer und fachdidaktischer Perspektive dar zur Rechtfertigung dieser Orientierungsfunktion – er kann damit auch als eine kurze Einführung in grundlegende fachdidaktische Positionen gelesen werden und das zu Grunde gelegte Literaturverzeichnis zeigt, dass Philipp Thomas prägende Autor*innen aus der Diskussion dieser Orientierungsfunktion zusammenbringt, u.a. Ekkehard Martens, den Vertreter des dialogisch-pragmatischen Ansatzes in der Philosophiedidaktik, Wulff Rehfus, den Vertreter des bildungstheoretisch-identitätstheoretischen Ansatzes in der Didaktik der Philosophie oder Johannes Rohbeck, der zwischen akademischer Philosophie und schulischer Unterrichtspraxis zu vermitteln sucht, indem er didaktische Potenziale der Philosophie in philosophische Kompetenzen, die von Schülern erworben werden können, zu transformieren sucht.

  • Rehfus, Wulff D. (1986): Der Philosophieunterricht. Kritik der Kommunikationsdidaktik und unterrichtspraktischer Leitfaden. Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog.
  • Martens, Ekkehard (1983): Einführung in die Didaktik der Philosophie. Darmstadt: WBG.
  • Rohbeck, Johannes, Thurnherr, Urs, Steenblock, Volker (Hg.) (2009): Empirische Unterrichtsforschung und Philosophiedidaktik. Dresden: Thelem.

Gut lesbare, knapp gefasste Überblicksartikel zu den grundlegenden Positionen in der Philosophiedidaktik finden sich in Christa Runtenbergs Philosophiedidaktik; die Autorin ist Professorin an der Carl-von-Ossietzki-Universität Oldenburg.

Eine aktuelle philosophiedidaktische Position repräsentiert sich im sogenannten philosophiedidaktischen Dreieck von Bettina Bussmann, Professorin für Philosophie am Fachbereich Philosophie der Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg. Bettina Bussmann vertritt einen wissenschaftsorientierten Philosophiedidaktik-Ansatz, der ein Bildungsverständnis stark macht, das offene und interdisziplinäre Lernsettings fördert.

Phlipp Thomas selbst geht es „darum, dass philosophische Orientierung stets in einer konkreten sozio-kulturellen Situation geschieht (dies bedeutet einen Abschied von der Vorstellung vermeintlich ewiger Fragen und ewiger Antworten). Daher bietet […] eine bestimmte Art und Weise, Einsichten und Begriffe der Gegenwartsphilosophie auf die konkrete lebensweltliche Situation zu beziehen, das größte Potenzial für philosophische Orientierung“ (Philipp Thomas 2013, S. 3). Um die Möglichkeiten einer gegenwartsbezogenen Kontextualisierung zu entfalten, bezieht sich Philipp Thomas auf eine Reihe philosophischer Autoren aus der Gegenwart wie Charles Taylor und Autor*innen aus dem Feld der Soziologie, die Herausforderungen für die Orientierung des Selbst vor dem Hintergrund spätmoderner Gesellschaften thematisieren.

Zusammenfassung – Fünf Thesen zur Fachdidaktik Philosophie

Letztlich geht es Philipp Thomas bei den Orientierungsleistungen der Beschäftigung mit Philosophie – sowohl in der Lehrer*innenbildung als auch in der Arbeit von Lehrpersonen mit Schüler*innen um ein „bessere[s] Verständnis des Subjekts für seine Gegenwart sowie für die Bedingungen und Möglichkeiten gegenwärtigen Selbst-Seins. Letzteres geschieht durch gegenwartsphilosophische Begriffsarbeit und durch die Verwendung dieser Begriffe als ‚philosophische Brillen‘. Dabei werden Selbst und (Lebens-)Welt deutlicher sichtbar, neue Differenzierungen, neue Möglichkeiten aber auch neue Ansatzpunkte für Kritik zeigen sich. Dies ist der neue Orientierungsbegriff, den ich mit meinen Überlegungen aufzeigen möchte.“ (Philipp Thomas 2013, 26). Aus dieser Perspektive formuliert er fünf Thesen zur Philosophiedidaktik, die im folgenden verkürzt aufgelistet werden:

  1. Fachdidaktik darf nicht auf Methodik verengt werden, sondern muss als Reflexionsfeld von Philosophie und Bildung verstanden werden
  2. Fachdidaktik ist selbst Teil der Philosophie, nämlich jener Teil, der etwa für Lernende und Interessierte das Thema Orientierung durch Philosophie zu durchdenken vermag.
  3. Diese stellenweise Identität von Philosophie und Philosophiedidaktik auf dem Gebiet der Orientierung durch Philosophie kann freilich nur im Rahmen eines breiten Philosophiebegriffs gesehen werden, welcher Philosophie nicht nur als Grundlagenforschung, sondern auch als Auseinandersetzung mit der intellektuellen, sozialen, kulturellen Situation und den individuellen Existenzbedingungen in einer konkreten Zeit versteht.
  4. Für jenes philosophische Potenzial ist die Beschäftigung mit der Problemhöhe der Gegenwartsphilosophie nötig. Philosophielehrkräfte sollten hier eine gute Ausbildung erhalten.
  5. Orientieren heißt nicht zuletzt auch begeistern: Die Kompetenz, im oben beschriebenen Sinne, Teile der Philosophie auf konkrete Orientierungsfragen beziehen zu können, sollte ein Thema in der Ausbildung von Philosophielehrkräften sein. Zu dieser Kompetenz gehört es, zumindest punktuell tief in Philosophie einzudringen und vor allem eine Philosophie (oder ein begrifflich-systematisches Feld) zu finden, von der man wirklich begeistert ist und für die man auch andere begeistern kann.

Text: Stefan Applis (2023) unter engem Bezug auf Philipp Thomas (2013)

Bild: Image by rawpixel.com on Freepik