Kompetenzmodellbasiert das Argumentieren trainieren

Bei der Förderung argumentativer Fähigkeiten kann es nicht bei einem reinen Austausch von Meinungen zu den Inhalten eines Problems bleiben. Wie kann aber eine Förderung argumentativer Kompetenzen strukturiert erfolgen? Um argumentative Fähigkeiten nachhaltig zu fördern, müssen sie systematisch spiralcurricular entwickelt und dazu in spezifische Teilkompetenzen und Kenntnisse zerlegt werden, die auf verschiedenen Niveaustufen erworben, eingeübt, angewendet und reflektiert werden können. Bei argumentativen Fähigkeiten handelt es sich hierbei um fächerübergreifende Fähigkeiten, die innerhalb verschiedener Fächer Förderung erfahren, allerdings im Gegensatz zum Philosophieunterricht oft nicht systematisch:

„Es würde sich also um eine Fähigkeit handeln, die die Lernenden nicht nur im Philosophie- und Ethikunterricht entwickeln und üben, sondern in vielen weiteren Unterrichtsstunden. Auf den zweiten Blick ist jedoch zu bedenken, dass sich die argumentativen Kompetenzen der Lernenden auch über einen längeren Zeitraum und quer durch unterschiedliche Fächer kaum entwickeln können, wenn in keinem Fach die systematischen Grundlagen gelegt werden. Die Argumentationsfähigkeit muss nämlich systematisch, spiralcurricular entwickelt […] und dazu in spezifische Teilkompetenzen und Kenntnisse zerlegt werden, die auf verschiedenen Niveaustufen erworben, eingeübt, angewendet und reflektiert werden können. Diese systematischen Grundlagen sind v. a. im Bereich der angewandten und informellen Logik bzw. der Argumentationstheorie und damit fachlich primär in der Philosophie anzusiedeln.“ (Franzen, Burkard & Loewenstein 2022/2023)

In einem zwölfköpfigen Team aus Fachdidaktik, Fachwissenschaft und Schulpraxis (wurden Standards konkretisiert und Kompetenz(teil)ziele operationalisiert. Zusätzlich wurden Aufgabenbeispiele entwickelt, an denen gezeigt wird, wie entsprechende (Teil-)Kompetenzen erlernt, geübt, angewendet und reflektiert werden können. Auf diese Weise kann eine systematische, progressive, spiralcurriculare Förderung argumentativer Fähigkeiten gelingen.

Das gesamte Material ist Open Access verfügbar, sowohl als gedrucktes Buch und E-Book als auch unter http://www.philovernetzt.de/argumentieren-lernen in Einzeldateien mit den entsprechenden Aufgaben-Bausteine auf den vier Niveaustufen I–IV.

Hinweis: Für eine vollständige Darstellung der Niveaustufen wird auf die oben genannte Publikation verwiesen und den entsprechenden Beitrag auf „Doing Geo & Ethics“.

#Philovernetzt | Argumentieren lernen

Förderung der Kompetenzbereiche Argumentieren, Urteilen & Diskutieren Mit der Open Access-Publikation „Argumentieren lernen“ wird erstmals für den Philosophie- & Ethikunterricht sowie für die Förderung argumentativer Kompetenzen in inhaltlich verwandten Fächern…

Aufgabenbeispiel: Rodung eines Waldstücks für den Bau einer Autobahn

Das erste Aufgabenbeispiel „Rodung eines Waldstückes für den Bau einer Autobahn“ zum Standard B.I.2 schließt an die Standards A.I.1 und B.I.1 an – in ihm sollen begründende Aussagen (Prämissen) und begründete Aussagen respektive Schlussfolgerungen/These (Konklusionen) unterschieden werden (vgl. Abb. 2, Kap. 7.4):

„Die Unterscheidung von begründenden und begründeten Aussagen ist grundlegend für das Verständnis von Argumenten. Bringt man ein Argument vor, dann behauptet man, dass eine Aussage wahr ist, weil eine oder mehrere andere Aussage(n) wahr ist bzw. sind. Ein Argument ist demnach eine Aneinanderreihung von Aussagen, unter denen begründende Aussagen die Funktion haben, die zu begründende Aussage zu stützen. Die begründenden Aussagen werden „Prämissen“ genannt, die zu begründende Aussage ist die „Konklusion“. Argumentationsanzeiger erleichtern die Unterscheidung von Prämisse und Konklusion (z. B. „weil“ und „da“ sowie „folglich“ und „also“).“ (Franzen, Burkard & Löwenstein 2022, 38)

Mit dem Standard B.I.2 werden die Fachtermini Prämisse und Konklusion eingeführt und die bis dahin erarbeiteten Grundlagen vertieft. Dies stellt die Voraussetzung dar für die vollständige Rekonstruktion eine Arguments in Standardform, mit der im weiteren Verlauf auf Niveau II und III gearbeitet wird. Franzen, Burkard & Loewenstein (2022) empfehlen zur ergänzenden Übung und thematischen Vertiefung die Arbeit mit Texten, Podcast und Videos, die für Schülerinnen und Schüler interessante Themen behandeln. Die Aufgabe enthält zahlreiche Ausrufe und rhetorische Fragen, weshalb es zunächst schwer ist zu verstehen, was die jeweilige Person überhaupt meint. Die Herausforderung besteht also darin, herauszubekommen, welche Prämisse hinter einer solchen Aussage steht. Die Auseinandersetzung mit den jeweiligen Prämissen kann und soll auch in diskursiver Form im Klassenraum erfolgen, innerhalb derer auch Wertvorstellungen reflektiert werden können, die den Prämissen zu Grunde liegen.

Hinweise zur didaktischen Einbettung des Materials

Formale Argumentationsschulung ist nur dann sinnvoll, wenn sie ein integraler Bestandteil des Ethik- oder Geographieunterrichts wird, d.h. dass der Austausch über die faktische Seite und die ethische Seite von Problemstellungen strukturiert entfaltet und reflektiert wird – erst dann ist es hilfreich, begründende Aussagen (Prämissen) und begründete Aussagen (Konklusionen, Schlussfolgerungen und Thesen) auf die zwischen ihnen hergestellten logischen Zusammenhänge und somit auf ihre Gültigkeit hin zu prüfen.

Die in den Didaktiken der Naturwissenschaften und der Geographiedidaktik vorgenommene Unterscheidung von Sach- und Werturteil kann auch im Ethikunterricht sinnvoll sein, vor allem in den Jahrgangsstufen, in denen Kinder und Jugendliche komplexe Argumentationen, die sich auf ethische Theorien beziehen, analytisch noch nicht bewältigen können.

Orientiert an der didaktische Analyse nach Klafki entfaltet das unter Leitung von Franzen, Burkard & Löwenstein (2022) entwickelte Aufgabenmaterial die folgenden Effekte: Der strukturelle Kern oder Gehalt des Inhalts unter Berücksichtigung von Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung liegt in der Auseinandersetzung mit übertragbaren Grundstrukturen der Argumentationsführung; die exemplarische Bedeutung liegt in der Auswahl von Sachverhalten im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsfragen; die Zugänglichkeit wird durch die Auswahl besonderer Fälle, Phänomene oder Situationen, gewährleistet, die anschaulich wird, sind für die Kinder, Jugendlichen, jungen Erwachsenen anschaulich sind; um die Anschaulichkeit zu verstärken sollte entsprechendes ergänzendes Material ausgewählt werden (z.B. Bilder, weitere Texte und andere Medien).

Seit einigen Jahren gewinnen von jungen Menschen etablierte Protestkulturen zunehmend an Bedeutung. Hierbei kommt dem Wald als Nutz- und Schutzraum eine besondere symbolische Bedeutung zu. Protestkulturen werden einerseits durch etablierte Umweltorganisationen, aber auch durch spezifische, auf das Schutzziel fokusierte Platttformen wie https://wald-statt-asphalt.net/ koordiniert und unterstützt.

#Materialsammlung | Pro und Kontra: Klimaproteste & ziviler Ungehorsam

Ziviler Ungehorsam ist hochaktuell – seit Längerem erleben wir gezielte Gesetzesverstöße durch unterschiedliche Gruppen, die damit klimapolitische Maßnahmen forcieren wollen, die eigentlich längst den Rang von Staatszielen haben. Gleichzeitig diskutiert…

In einem waldreichen Bundesland wie Hessen, das zudem stark von Durchgangsverkehr geprägt ist, konzentrieren sich solche Proteste. Und es entwickeln sich Protestkulturen, die für dort engagierten Jugendlichen auch eine identitätsstiftende Funktion haben. In Geographie- und Ethikunterricht lassen sich am Beispiel von Waldbesetzungen entsprechend vielfältige raumbezogene ethische Fragestellungen reflektieren.

Text: Stefan Applis (2024)

Bild: Freepic (2024)

Literatur:

Henning Franzen, Anne Burkard und David Löwenstein (Hrsg.) (2022). Argumentieren lernen. Philovernetzt.