Die Geologin Anette Regelous zu Gast im DBU-Projekt »Schrottschatz« der JLU Gießen an der Akademie für Lehrerbildung in Dillingen (Donau)
Im Januar 2020 war die Geologin Anette Regelous von der FAU Erlangen-Nürnberg im Rahmen des Projektes »Schrottschatz« zu Gast an der Akademie für Lehrerbildung in Dillingen. In ihrem Vortrag informierte sie über diejenigen Ressourcen, die gemeinhin als »Seltene Erden« bezeichnet werden und welche für die Behandlung des Themas »Elektroschrott« essentiell sind. Allein die Unterscheidung der einzelnen bedeutsamen Rohstoffe ist im Unterricht häufig ein herausforderndes Thema.
»Strategische Metalle« oder »kritische Metalle«, oft auch bezeichnet als »Konflikt-Metalle«, werden im Alltagsverständnis häufig mit den »Seltenen Erden« zusammengefasst in Gruppen wie »High-Tech Metalle« oder »Technologiemetalle«. Die verschiedenen Bezeichnungen für solche Metalle stammen von damit verbundenen Überlegungen zu deren wirtschaftlicher, politischer oder ökologischer Bedeutung für den Menschen. Der Name »Strategische Metalle« kommt z. B. aus den Bereichen Politik und Wirtschaft. Für die exportierenden Länder sind sie wichtige Einnahmequellen, die importierenden Länder beschäftigen sich meist mit der Verarbeitung dieser Metalle – somit sind sie für beide Seiten von strategischer Bedeutung. Sie finden ihren Einsatz in High-Tech-Waffensystemen, Fahrzeugen, Elektronikartikeln oder der Pharma- und Medizintechnik. Zu ihnen zählen Antimon, Arsen, Bismut, Kadmium, Kalzium, Chrom, Kobalt, Gallium, Germanium, Indium, Lithium, Magnesium, Quecksilber, Molybdän, Niob, Selen, Rhenium, Silikon, Tantal, Tellur, Ilmenit, Titan, Wolfram, Zirkonium, Vanadium.
»Die seltenen Erden sind die Exoten unter den chemischen Elementen.«
(Luitgard Marshall & Heike Holdinghausen, 2018: Seltene Erden. Umkämpfte Rohstoffe des Hightech-Zeitalters. Oekon-Verlag, München, S. 15)
»Seltene Erden« haben ebenfalls strategische Bedeutung – die Naturwissenschaft zählt zu dieser Rohstofffamilie insgesamt 17 Metalle: Scandium, Yttrium, Lanthan sowie die 14 im Periodensystem auf das Lanthan folgenden Elemente, die Lanthanoide Cerium, Dysprosium, Europium, Erbium, Gadolinium Holmium, Lutetium, Neodym, Praseodym, Promethium, Samarium, Terbium, Thulium, Ytterbium. Sie liegen nie als reine Metalle vor, deswegen ist ihre Gewinnung so aufwändig und kostspielig.
»Selterdmetalle sind physikalisch und chemisch deswegen so interessant, weil sie sich zwar ähneln, jedoch jeweils auch deutlich verschiedene Eigenschaften besitzen.«
(Luitgard Marshall & Heike Holdinghausen, 2018: Seltene Erden. Umkämpfte Rohstoffe des Hightech-Zeitalters. Oekon-Verlag, München, S. 16)
Sie stehen im Zentrum der technischen Entwicklung, obwohl sie meist nur in kleinen Mengen verwendet werden. Selterdmetalle werden auch als »Enabler« bezeichnet – sie machen den reibungslosen Ablauf vieler Prozesse möglich innerhalb von Mobiltelefonen, Windrädern, Elektroautos, Lasersystemen und Beleuchtungsmitteln.
Sym- bol | Name | Etymologie | ausgewählte Verwendungen |
Sc | Scandium | von lateinisch Scandia ‚Skandinavien‘, wo das erste Erz entdeckt wurde | Stadionbeleuchtung, Brennstoffzellen, Rennräder, Röntgentechnik, Laser |
Y | Yttrium | nach dem Entdeckungsort des Seltenen-Erden-Erzes bei Ytterby, Schweden | Leuchtstofflampe, LCD- und Plasmabildschirme, LEDs, Brennstoffzelle, Nd:YAG-Laser |
La | Lanthan | von griechisch lanthanein ‚versteckt sein‘ | Nickel-Metallhydrid-Akkus (z. B. in Elektro- und Hybridautos, Laptops), Katalysatoren, Rußpartikelfilter, Brennstoffzellen, Gläser mit hohem Brechungsindex |
Ce | Cer | nach dem Zwergplaneten Ceres | Auto-Katalysatoren, Rußpartikelfilter, Ultraviolettstrahlung-Schutzgläser, Poliermittel |
Pr | Praseodym | von griech. prásinos ‚lauchgrün‘, didymos ‚doppelt‘ oder ‚Zwilling‘ | Dauermagnete, Flugzeugmotoren, Elektromotoren, Glas- und Emaillefärbung |
Nd | Neodym | von griech. neos ‚neu‘ und didymos ‚doppelt‘ oder ‚Zwilling‘ | Dauermagnete (z. B. in Elektromotoren, Windkraftanlagen, Kernspintomografen, Festplatten), Glasfärbung, Laser, CD-Player |
Pm | Promethium | von Prometheus, einem Titanen der griechischen Mythologie | Leuchtziffern, Wärmequellen in Raumsonden und Satelliten (radioaktives Element) |
Sm | Samarium | nach dem Mineral Samarskit, das wiederum benannt nach dem Bergingenieur W. M. Samarski | Dauermagnete (in Diktiergeräten, Kopfhörern, Festplattenlaufwerken), Raumfahrt, Gläser, Laser, Medizin |
Eu | Europium | neben Americium das einzige nach einem Erdteil benannte Element | LEDs, Leuchtstofflampen, Plasmafernseher (roter Leuchtstoff) |
Gd | Gadolinium | nach Johan Gadolin (1760–1852), dem Namensgeber des Gadolinits | Kontrastmittel (Kernspintomographie), Radar-Bildschirme (grüner Leuchtstoff), AKW-Brennelemente |
Tb | Terbium | nach dem schwedischen Fundort Ytterby | Leuchtstoffe, Dauermagnete |
Dy | Dysprosium | von griech. δυσπρόσιτος ‚unzugänglich‘ | Dauermagnete (z. B. Windkraftanlagen), Leuchtstoffe, Laser, Atomreaktoren |
Ho | Holmium | von Stockholm (lat. Holmia) oder eine Ableitung des Chemikers Holmberg | Hochleistungsmagnete, Medizintechnik, Laser, Atomreaktoren |
Er | Erbium | nach dem schwedischen Fundort Ytterby | Laser (Medizin), Glasfaserkabel |
Tm | Thulium | nach Thule, der mythischen Insel am Rande der Welt | Leuchtstofflampen, Röntgentechnik, Fernsehgeräte |
Yb | Ytterbium | nach dem schwedischen Fundort Ytterby | Infrarotlaser, chemische Reduktionsmittel |
Lu | Lutetium | nach dem römischen Namen von Paris, Lutetia | Positronen-Emissions-Tomographen |
Wir verwenden immer mehr »Seltene Erden«. Seit 1950 ist ein explosionsartiger Anstieg der Gewinnung »Seltener Erden« zu verzeichnen. Bis zu den 1990ern dominierten die USA die Produktion, seit Mitte der 1990er Jahre hat die Förderung in China stark zugenommen.
»Seltene Erden« sind für Umwelttechnologien von herausragender Bedeutung wie etwa für Elektromobilität, Photovoltaik, Windkraft und auch LED-Leuchten. Der Anstieg des Verbrauchs liegt also vor allem an der Notwendigkeit der Weiterentwicklung moderner Umwelttechnologie. Das paradoxe Problem, stellt die Geologin Anette Regelous vom Geozentrum Nordbayern fest, besteht nun darin, dass es derzeit keinen einigermaßen umweltverträglichen Abbau »Seltener Erden« gibt. Grundsätzlich gibt es aus geologischen Gründen nur wenige Lagerstätten und die begehrten Metalle sind extrem dispers verteilt. Anette Regelous fasst die mit dem Abbau verbundenen Probleme zusammen:
- Radioaktive Stoffe schädigen über Staub und Wasser Mensch und Umwelt.
- Rückstände aus der Erzaufbereitung enthalten radioaktive und toxische Stoffe aus dem Gestein und den chemischen Hilfsmitteln.
- Durch Ablagerung in künstlichen Teichen erfolgt ein kontinuierlicher Grundwassereintrag.
Entsprechend sind die Berichte über die großen Minen in China (Bayan-Obo-Mine, Innere Mongolei) und die Berichte über die Erzaufbereitung der in Australien gewonnenen Rohstoffe in Malaysia desaströs:
- »Die wahren Kosten der Seltenen Erden« – Beitrag von Ruth Kirchner im Deutschlandfunk
- Fallstudie zu den Umwelt- und Sozialauswirkungen der Gewinnung Seltener Erden in Bayan Obo, China – Umweltbundesamt
- Fallstudie zu den Umwelt- und Sozialauswirkungen der Gewinnung Seltener Erden in Mount Velt, Australien und der Raffination in Kuantan, Malaysia – Umweltbundesamt
- Seltene Erden – Fluch oder Segen für Malaysia? Ein Beitrag von Jade Lee für die Stiftung Asienhaus
Das Recycling der »Seltenen Erden« liegt bei weniger als 1 %. Grund dafür, so die Geologin Anette Regelous, ist vor allem, dass nur wenige Selterdemetalle pro Gerät enthalten sind und das Recycling ein sehr komplexer, energieaufwändiger Prozess wäre. Bislang gebe es hierzu keine Hochtechnologieanlage und keine Ansätze zu einem systematischen Recycling. An neuen Perspektiven dazu arbeitet das Helmholtzinstitut in Dresden mit einem biotechnologischen Verfahren zur Trennung »Seltener Erden« über Bakteriophagen – die Entwicklung von Recyclingstrategien hat für Deutschland, das selbst über keine Ressourcen an »Seltenen Erden« verfügt, auch strategische Bedeutung.
»Im Jahr 2011 haben chinesische Händler die Preise rasant angezogen und auch noch eine Limitation der Ausfuhr von Seltenen Erden bewirkt. Und so hatten Europa und der Rest der Welt ein Problem, denn die technischen Entwicklungen sind am Wachsen und durch die Begrenzung der Einfuhr von Seltenen Erden ist man da ganz schnell in eine Limitation gerutscht.«
(Franziska Lederer, Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie, https://www.mdr.de/wissen/recycling-seltene-erden-smartphones-100.html)
Für den Unterricht im Lernbereich nachhaltige Entwicklung stellen sich zusammengefasst die folgenden Herausforderungen:
- Eine fachübergreifende Behandlung der Problemfelder in den Fächern Chemie, Geographie, Wirtschaft und Politik oder Gesellschaftskunde sollte angestrebt werden, um zu vermeiden, dass sich fachliche Fehlkonzepte verfestigen.
- Das Unterscheiden der jeweiligen Abbau-, Verarbeitungs- und Lieferketten und deren soziale, politische und ökologische Implikationen eröffnet den Blick auf einzelne Fälle (z. B. Abbaustandorte) und Problemlagen (z. B. Recycling, Elektroschrottvermeidung) und hilft Komplexität zu reduzieren.
- Eine altersgemäße Konkretisierung am Objekt und ausgewählten Bauteilen (z. B. Windrad, Elektroroller, Smartphone) kann Verständnis für Spielräume der Verantwortungsübernahme und die Notwendigkeit der Umorientierung an langen Nutzungszeiträumen schaffen.
Text: Stefan Applis
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