Die Ölpalme – eine umstrittene Nutzpflanze

Egal ob in Schokolade, in Gesichtscreme oder als Treibstoff: Die Verwendung von Palmöl ist ebenso allgegenwärtig wie auch umstritten. Allein aufgrund des starken Lebensweltbezugs erweist sich eine Auseinandersetzung im Unterricht als lohnenswert. Allerdings stellt das Thema aufgrund seiner „doppelten Komplexität“, sowohl faktischer als auch ethischer Natur (Applis & Scarano 2014), Lehrende wie auch gleichermaßen Lernende vor Herausforderungen.

Die menschliche Nutzung der ursprünglich in Westafrika beheimateten Ölpalme (lat. Elaeis guineensis) geht zurück bis in die altägyptische Zeit vor über 5000 Jahren. Während heute Rohpalmöl vor allem im Nahrungsbereich als Speiseöl, Back- und Frittierfett sowie in Süßwaren und Fertiggerichten genutzt wird, ist das Palmkernöl eher in Non-Food-Artikeln zu finden, wie Seifen, Kerzen, Waschmitteln, Kosmetika und Reinigungsmitteln (Schleicher 2011). Palmöl hatte im Jahr 2014 einen Anteil von 34 % am globalen Verbrauch von Pflanzenöl und ist aktuellen Schätzungen der Naturschutzorganisation WWF zufolge weltweit in jedem zweiten Supermarktprodukt enthalten (Beckert & Keck 2015).

Die Nutzung ist aufgrund seines im Vergleich zu Soja- und Rapsöl niedrigen Preises für Konzerne attraktiv. In einem zusammenwachsenden Weltmarkt steigt die Nachfrage der Industrienationen nach agrarischen Rohstoffen aus den Ländern des Globalen Südens. Die gesamte Palmölindustrie wird dabei von wenigen transnationalen Konzernen dominiert, zum Beispiel ‚Sime Darby‘ aus Malaysia oder ‚Wilmar‘ aus Singapur (PYE 2009).

Bei all den Diskussionen um den Anbau der Ölpalme kann man definitiv nicht sagen, dass es sich um eine grundsätzlich „schlechte“ Nutzpflanze handelt. Ganz im Gegenteil ist sie unter den Nutzpflanzen, die man auf den nährstoffarmen Böden der Feuchttropen anbauen kann, eine der ertragreichsten (4,1 t/ha) und weist eine bessere CO2-Bilanz auf (Beckert & Keck 2015). Nicht die Palmgewächse selbst stellen also das Problem dar, sondern vielmehr die Art und Weise, wie ihre immense Ausbreitung vorangetrieben wurde und wird.

Hielten Naturschutzaktivisten vor einiger Zeit noch die nicht nachhaltige Holznutzung für die größte Gefährdung tropischer Regenwälder sowie deren Biodiversität, so revidierten sie in jüngerer Zeit ihre Meinung, da aktuell die Neuanlegung von Ölpalmenplantagen den Hauptmotor der Entwaldung in den Tropen darstellt. Unter Verwendung repressiver Maßnahmen und Menschenrechtsverletzungen eigneten sich Unternehmen Anbauflächen an, die zumeist auf den Gebieten ursprünglicher Tieflandregenwälder und Torfsumpfwälder liegen. Besonders letztere stellen enorme Kohlenstoffspeicher dar. Unter laxer Regierungsaufsicht wurde speziell die Landbevölkerung häufig widerrechtlich enteignet. Somit profitieren wenige Investoren, während die einheimische Bevölkerung ihr Land verliert. Eine Rolle spielt hierbei sicher auch das nach wie vor hohe Maß an Korruption in vielen Entwicklungsländern (Schulze 2015) sowie der Umstand, dass in deren nationaler Politik das ökonomische Wachstum sowie die Ernährungssicherheit eine höhere Wertigkeit besitzen als der Schutz der Biodiversität oder Klimaziele (Martin 2015). Es wurden nun Plantagen angelegt, die nicht selten Dimensionen von mehreren Tausend Hektar aufweisen, auf denen Ölpalmen in Monokultur angebaut werden (SAYER 2015). Ein Beispiel findet sich in der Nähe der indonesischen Stadt Banjarmasin (siehe Google Earth-Timelapse und -Satellitenflug).

Palmölproduktion in Indonesien sowie insbesondere auf Borneo

Indonesien und Malaysia produzieren gemeinsam über 85 % des weltweiten Palmöls und sind damit mit großem Abstand Marktführer. Indonesien hat dabei im Jahr 2009 Malaysia als größten Produzenten abgelöst. Die Herstellung von Palmöl gilt als Schlüsselindustrie des größten islamischen Landes der Erde (Beckert & Keck 2015). Zwischen 2002 und 2016 konnte die Palmölproduktion von 9,37 Millionen Tonnen auf 32,6 Millionen Tonnen pro Jahr gesteigert werden (Kabiru Rafiie 2018). Hierfür wurden die Anbauflächen zwischen 2000 und 2012 auf eine Gesamtfläche von 6,5 Millionen Hektar mehr als verdreifacht, was in etwa der Größe Sri Lankas entspricht (Martin 2015).

Auf Grundlage eines ökonomischen Masterplans von 2011, plant die Regierung Indonesiens bis 2025 das ökonomische Wachstum des Landes zu forcieren. Eine Schlüsselrolle soll dabei die Ausweitung der Palmölindustrie auf 40 Millionen Tonnen pro Jahr spielen. Die Insel Borneo, auf der etwa 18,5 Millionen Menschen leben, nimmt eine wichtige Rolle in den Ausbauplänen ein. Vor dem Hintergrund des „Masterplans“ beschäftigen sich die SchülerInnen in der vorliegenden Unterrichtseinheit mit folgender Frage:

„Soll die Ausweitung des Palmölanbaus auf Borneo in den nächsten Jahren vorangetrieben werden?“ – eine faktische und ethische Bewertung

Ein motivierender und lebensnaher Einstieg in die Stunde erfolgt durch verschiedene palmölhaltige Lebensmittel, die die Lehrkraft in den Unterricht mitbringt. Die SchülerInnen erhalten den Auftrag, eine Gemeinsamkeit der Produkte zu benennen. Aufgrund der hohen Aktualität des Themas ist davon auszugehen, dass dies gelingt. Dies dürfte viele der Heranwachsenden zum Staunen bringen und eine Fragehaltung hervorrufen, da man sich des umstrittenen Inhaltsstoffes in vielen Produkten nicht bewusst ist.

Über untenstehende Grafiken wird die Relevanz des Palmölanbaus für Indonesien erarbeitet. Zudem erfährt die Lerngruppe vom Masterplan der Regierung, die Palmölproduktion bedeutend auszuweiten. Hieran knüpft die Stundenfrage an: „Soll die Ausweitung des Palmölanbaus auf Borneo in den nächsten Jahren vorangetrieben werden?“

Borneo wird als Zentrum der Palmölproduktion benannt und verortet. Um eine genauere Vorstellung von einer Palmölplantage zu bekommen, kann sich die Klasse z. B. auf eine virtuelle Kurz-Exkursion via Google Earth begeben, das ohne großen Aufwand installiert werden kann oder eines der oben vorgeschlagenen Videos über Youtube betrachten. Die Lerngruppe beschreibt darüber die zeitlichen und räumlichen Entwicklungen sowie deren Strukturen und Dimensionen. Satellitenbilder „eröffnen [dabei] ungewohnte Ansichten der Erdoberfläche, lassen Strukturen erkennen, die dem Betrachter aus der Horizontalperspektive verborgen bleiben, und erweitern dadurch den Erkenntnisgewinn.“ (Brucker 2009: 70) Die beeindruckenden Bilder haben zudem eine motivierende Wirkung.

Der Beantwortung der Stundenfrage wird sich nun über die Methode ‚Pro- und Contra-Diskussion‘ angenähert. Es wird deutlich, dass verschiedene Akteursgruppen die Frage unterschiedlich beantworten würden. Die SchülerInnen erwerben im Rahmen der Methode gleichzeitig fachliches Wissen, schulen ihre rhetorische Kompetenzen, nehmen einen Perspektivwechsel vor und lernen, eine Problemstellung aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten (Schleicher 2013).

Nach einer Vorbereitungsphase, in der sich jeweils alle SchülerInnen mit identischer Rollenkarte (siehe Material) zusammenfinden, bieten sich verschiedenen Möglichkeiten für die Durchführung eines fiktiven ‚Internationalen Palmölkongress auf Borneo‘. Entweder wird eine Podiumsdiskussion durchgeführt, in der jeweils ein-/e VertreterIn der verschiedenen Rollen diskutiert, oder die Diskussion erfolgt in neu zusammengestellten Kleingruppen, in denen alle SchülerInnen ihre jeweilige Rolle vertreten. Die optional einsetzbaren Rollenschilder (siehe Material) verleihen der Diskussion eine spielerische Note und haben positive motivationale Effekte.

Im Plenum werden im Anschluss die Hauptargumente der jeweiligen Rollen gesichert (z.B. Tafelanschrieb, Karten mit Magneten etc.). Es zeigt sich, dass in etwa eine Gleichzahl an Argumenten für und gegen den Masterplan der indonesischen Regierung genannt wurden. Um die Problemstellung der Stunde abschließend beantworten zu können, bedarf es also einer vertiefenden (ethischen) Bewertung der einzelnen Argumente. Die SchülerInnen erhalten den Arbeitsauftrag, eine Priorisierung aller Argumente vorzunehmen und begründet eine „Top drei“ aufzustellen (Einzelarbeit, Think-Pair-Share oder Partnerarbeit). Hierbei wird deutlich, dass einige Argumente, etwa der irreversible Verlust der Biodiversität oder die Verletzung von Menschenrechten, ethisch stärker zu gewichten sind als beispielsweise eine kurzfristige Steigerung der Exporteinnahmen Indonesiens. In einer abschließenden Phase der Reflexion werden Möglichkeiten der Einflussnahme durch das individuelle Konsumverhalten diskutiert.

Text & Material: Frank Fischer (2020)

Bild: Achim Halfmann via pixabay

Literatur:

Appel, M., Schubert, R. & F. Siegert (1996): Borneo. Leben im Regenwald. München (Staatliches Museum für Völkerkunde).

Applis, S. & N. Scarano (2014): Globales Lernen, praktische Philosophie und Moralpädagogik. Eine Annäherung. Geographie aktuell & Schule 36 (208), 3-7.

Beckert, B. & M. Keck (2015): Palmöl für den Weltmarkt: Landkonflikte in Sumatras Post-Frontier. Geographische Rundschau 2015 (12), 12 – 17.

Brucker, A. (2009): Geographiedidaktik in Übersichten. Köln (Aulis Verlag Deubner).

Hein, J., Kunz, Y. & H. Faust (2018): Sozialökologische Folgen von Ölpalmenboom und Naturschutzpolitik in Indonesien. Geographische Rundschau 2018 (4), 26 – 31.

Kabiru Rafie (2018): Indonesia’s Palm Oil Market – Outlook and Future Trends. Oil Palm Industry Economic Journal 18 (1), 25 – 30.

Martin, C. (2015): Endspiel. Wie wir das Schicksal der tropischen Regenwälder noch wenden können. München (oekom).

Pye, O. (2009): Palmöl und die Transnationalisierung des Protests. In: Hoering, U., Pye, O., Schaffar, W. & C. Wichterich (Hrsg.): Globalisierung bringt Bewegung. Lokale Kämpfe und transnationale Vernetzung in Asien: 69 – 85; Münster (Verlag Westfälisches Dampfboot).

Sayer, J. (2015): Die Ölpalme: Gefahr für den Naturschutz, Chance für die Armen?. In: MARTIN, C. (Hrsg.): Endspiel. Wie wir das Schicksal der tropischen Regenwälder noch wenden können: 83 – 86; München (oekom).

Schleicher, Y. (2011): Die nächst Ölkatastrophe? Ölpalmenanbau in Indonesien und Malaysia. Praxis Geographie 2011 (3), 10 – 14.

Schleicher, Y. (2013): Diercke Pro und Contra als Unterrichtsmethode. Braunschweig (Westermann).

Schulze, F. (2015): Kleine Geschichte Indonesiens. München (C.H. Beck).