Michael Haspel, apl. Prof. am Martin-Luther-Institut der Universität Erfurt, schreibt in seinem Beitrag „Friedens- und Sicherheitslogik neu denken“ für den Philosophieblog prae|faktisch.de über die zunehmende Verbreitung „(neo-)realistische[r] Ansätze, die vor allem wirtschaftliche und geostrategischen Interessen fokussieren […]. Sogenannte ‚liberale‘ Ansätze, die auf die Verrechtlichung und Institutionalisierung von Konflikten setzen, […] [seien] entsprechend zunehmend in der Defensive“, das internationale Völkerrecht entsprechend geschwächt (vgl. den Vortrag von Prof. Markus Krajewski (2022). Der Russland-Ukraine-Konflikt aus völkerrechtlicher Sicht, Universität Erlangen-Nürnberg)
Haspel unterstreicht diese Position in den ersten Abschnitten seines Beitrages, indem er sich auf Ereignisse der jüngeren Geschichte bezieht, die nicht nur Russland, sondern auch China, die USA und die NATO eines solchen Vorgehens schuldig sprechen und zeigen, dass sowohl „ideologisch als auch faktisch […] geostrategische Ordnungsvorstellungen wieder an Prominenz gewonnen [haben], welche stärker die Konkurrenz als die Kooperation betonen und die eine eh schon fragile regelbasierte Ordnung zunehmend in Frage stellen“; der UN-Sicherheitsrat sei so systematisch geschwächt geworden.
Seit Russlands Krieg gegen Georgien 2008 und die de facto-Annexion von Teilen der Ukraine 2014 sowie Chinas Weigerung 2016 den Schiedsspruch zu den Ansprüchen im Südchinesischen Meer anzuerkennen und den damit verbundenen expansiven Maßnahmen lässt sich erkennen, dass beide Mächte auf territoriale Expansion zielen und bereit sind, das internationale Recht zu brechen und die internationalen Organisationen zu missachten. Das Verhalten der USA bzw. der NATO mit Blick auf den Kosovo- und Irak-Krieg und die Überdehnung des Libyen-Mandats haben sicher auch zum Vertrauensverlust sowohl der westlichen Staaten als auch der UN beigetragen.
Haspel (2022)
Im Folgenden fragt Haspel nach Forderungen an Ansätze, die Friedensethik und Sicherheitslogik systematisch miteinander verbinden.
Es sollten also ethische Kriterien und Verfahren der Prüfung der Legitimität des Einsatzes militärischer Kriegsgewalt so entwickelt werden, dass sie von Staaten und Staatenbündnissen guten Willens als Selbstbindung angenommen werden können, solange etwa der Sicherheitsrat in dieser Hinsicht blockiert ist. Dies sollte immer unter der Perspektive der Vorläufigkeit geschehen, mit dem Ziel, das internationale Recht, Frieden und Sicherheit zu bewahren, zu verteidigen und zu stärken, bis etwa die VN dazu wieder besser in der Lage sind
Haspel (2022)
Didaktische Eignung und unterrichtlicher Einsatz
Haspels Text bietet eine gute Zusammenfassung der Herausforderungen, vor denen die Weiterentwicklung des Internationalen Rechts stehen hinsichtlich der offenen Fragen der Vereinbarkeit von Sicherung staatlicher Souveränität und dem Gebot des Menschenrechtsschutzes. Der Autor fragt im Grunde nach einer Ethik militärischer Gewalt, wenn er davon spricht, Friedensethik mit Sicherheitslogik zu verbinden. Dieses Thema ist vor dem Hintergrund der Frage, ob und ggf. wie Gewaltmittel zur Kriegsbegrenzung oder Kriegsbeendigung eingesetzt werden können oder sollen, von zentraler Bedeutung und sollte entsprechend in Philosophie- und Ethikunterricht reflektiert werden – sie sind ferner als Hintergrund für geopolitische Reflexionen zu Fragen imperialer Raumpolitiken im Geographieunterricht von Bedeutung.
In diesem Zusammenhang seien die folgenden Publikationen empfohlen, die diese Frage untersuchen.

Peter Rudolf (2014). Zur Ethik militärischer Gewalt. Stiftung Wissenschaft und Politik.

Reinhard Merkel (2012). Die „kollaterale Tötung“ Tötung von Zivilisten im Krieg. Juristen-Zeitung 23 (76), 7. Dezember 2012
Text: Stefan Applis (2022) unter engem Bezug auf Haspel (2020), Friedens- und Sicherheitslogik neu denken. prae|faktisch.de
Bild: prae|faktisch.de,