Wie funktioniert der Lösungsansatz?

Das Start-up Circular Fashion hat einen Chip entwickelt, der in Textilien eingenäht wird und auf dem alle Informationen gespeichert sind, die es für ein Recycling der Textilien braucht. Bisher ist bei gespendeten Textilien unklar ist, wie ihre Materialmischung und die verwendeten Chemikalien zusammengesetzt sind. Sie können daher nicht in einen Wiederverwertungskreislauf gebracht werden und werden, wenn sie nicht Probleme auf Sekondhandmärkten in der globalen Welt verursachen, teilweise sogar verbrannt. Auf dem Chip des Start-ups werden nun jedoch die dafür fehlenden Informationen gespeichert, also Materialzusammensetzungen, Chemikalien, Arbeitsbedingungen und sogar Tipps für Recyceln bzw. Hinweise, welche Firmen das Recycling für dieses Kleidungstück übernehmen. Ziel ist auch damit in der Branche eine bessere Vernetzung zu erreichen. Den Chip lesen kann eine Sortiermaschine mit Scanner. Auch Kund*innen können mittels Handy den Chip nutzen, um mehr Transparenz zu erhalten über die von Ihnen gewählten Produkte. Die Erfindern Ina Budde und ihr Team arbeiten mittlerweile auch mit einigen großen Modemarken zusammen. Auch eine andere Firma (Eon) in den USA bieten schon einen solchen Chip an und arbeitet mit H&M zusammen (vgl. Maiwald 2021).

Wie weit recht der Lösungsansatz?

Der Lösungsansatz setzt zunächst nach dem Problemkomplex an, er verringert das Problem des Kleidungskonsums gekoppelt an Probleme der Ressourcennutzung und der Arbeitsbedingungen nicht. Da der Ansatz jedoch im Sinne eines Kreislaufs in der Mode denkt, wirkt sich das Ansetzen nach dem Problem, auch auf die Ressourcennutzung und mit Blick auf den Wunsch nach Transparenz ggf. auch auf die Produktionsbedingungen vor Entstehung des Problems aus.

Des Weiteren wird betont, dass dieser Ansatz verbunden sein muss mit politischen Maßnahmen (vgl. Maiwald 2021), etwa mit der Entwicklung von Vorschriften zum Recycling und zur Herstellung von Kleidung unter Nutzung von recyceltem Material.  Auch eine klare Gesetzgebung für die*den Verbraucher*in zur Entsorgung von Kleidung wird gefordert.

Wie bringe ich dieses Projekt in einen lösungsorientierten Unterricht ein?

Der lösungsorientierte Ansatz von Thomas Hoffmann (2018 a, b, 2021) für den Geographieunterricht sieht vor, in Themen der globalen Herausforderungen im Unterricht mit einem Lösungsansatz einzusteigen, statt mit dem Problem. Der Unterrichtsaufbau ist damit wie folgt: Lösungsansätze – Problemkomplex – Lösungsansätze. Das bedeutet man steigt z.B. in das Thema „Globale Textilindustrie“ (10. Klasse aufwärts) an Stelle eines problemorientierten Bildes mit der Darstellung von Müllbergen aus weggeworfener Kleidung mit dem beschriebenen Lösungsansatz ein.

Wichtig ist dabei zu klären, wo dieser Lösungsansatz am Problem ansetzt. Dies kann im Anschluss gefragt werden, indem nach den Zielen des Projektes gefragt wird: Was wollen die Entwickler*innen damit erreichen? Inwiefern ist das erfolgreich? Wie weit reicht der Lösungsansatz?

a) Ergänzend kann dazu der Gedanke des Kreislaufs, der darin enthalten ist, als allgemeine Lösungsidee betrachtet werden und die Start-up-Idee darin eingeordnet werden.

Es kann etwa das Prinzip des Cradle-to-Cradle von Michael Braungart analysiert und befragt werden. Das Prinzip heißt übersetzt „Von der Wiege zur Wiege“ oder sinngemäß „Vom Ursprung zum Ursprung“, und sieht vor, dass alle Dinge so gebaut oder hergestellt werden sollen, dass sie nach der Nutzung entweder in einen biologischen Kreislauf oder einen technischen Kreislauf zurückgegeben werden. Es geht um eine Welt ohne Müll, Zero Waste. Nach diesem Prinzip wurden z.B. kompostierbare Flugzeugsitze entwickelt. Mittlerweile kann man sich Produkte damit zertifizieren lassen und auch der Avocado-Store hat C2C als Kriterium zur Auswahl seiner Kleidung.

Quelle: EPEA – Part of Drees & Sommer | Das Original – EPEA

b) Wird der Lösungsansatz in der Unterrichtsreihe (Lösungsansätze – Problemkomplex – Lösungsansätze) erst zum Abschluss der Einheit befragt, kann die Pyramide des nachhaltigen Konsums in dem Zusammenhang mitdiskutiert und die Idee des Start-Ups darin verortet werden. Die Frage, wie nachhaltig das Ganze eigentlich ist, kann damit am Ende der Unterrichtsreihe vertieft werden.

Quelle: Weniger kaufen: Die Pyramide des nachhaltigen Konsums (smarticular.net)

c) Kritisches Nachfragen ist zudem im Ansatz der Lösungsorientierung vorgesehen (Hoffmann 2021). In dem Zusammenhang kann etwa der Aspekt des Greenwashings mit Blick auf die Unternehmen, die mit dem Start-up zusammenarbeiten, auch in Hinblick auf seine ethische Problematik diskutiert werden.

d) Eine Videobetrachtung des Unternehmens kann unter circular.fashion ebenso auch mit kritischem Blick erfolgen. Das Video ist allerdings in englischer Sprache.

e) Letztlich bleibt im Sinne eines systemischen Denkens kritisch zu fragen: Wie nachhaltig ist die Chipherstellung? Schließlich geht es um die globalen Herausforderungen in ihrer Vernetzung.

Text: Marie Ulrich-Riedhammer

Titelbild: https://circular.fashion/en/software/circularity-id.html

Literatur:

Hoffmann, T. (2018a). TERRA Globale Herausforderungen 1. Die Zukunft, die wir wollen. Stuttgart: Klett.

Hoffmann, T. (2018b). Gerüstet für die Zukunft. Aufgaben des Geographieunterrichts. Praxis Geographie 1, 4-9.

Hoffmann, T. (2021). Globale Herausforderungen und SDGs – ein strikt lösungsorientierter Unterrichtsansatz. In A. Eberth & C. Meyer (Hrsg.), Didaktische Ansätze und Bildungsangebote zu den Sustainable Development Goals (S. 33-41). Hannover. https://doi.org/10.15488/11669

Maiwald, C. (2021). So kann’s gehen. ZEIT Nr. 37. 9. September 2021. S. 37. (Veröffentlicht in der Rubrik GREEN. Für Menschen, die nach Lösungen suchen).

Ulrich-Riedhammer, E.M, Applis, S. & Mehren, R. (2022). Nachhaltigkeit und Ethisches Lernen im Kontext einer lösungsorientierten Didaktik. In M. Dickel, G. Gudat & J. Laub. Ethische Orientierung für die Geographiedidaktik. Bielefeldt: transcript. (im Erscheinen).