Das digitale Lernportal „Geographie rassismuskritisch unterrichten“

Eine zentrale Forderung der rassismuskritischen Pädagogik lässt sich mit dem Begriff der Selbstreflexion beschreiben. Kein Mensch wird in seiner Identität als „Rassist“ geboren, sondern eignet sich im Laufe seiner Sozialisation und Identitätssuche rassistische Stereotype oder Bilder an. Rassistische Bilder kamen und kommen in dieser Gesellschaft vor und werden im Zuge der Sozialisation aufgenommen und weitergegeben. Identitätsbildungen erzählen unterschiedlichste Geschichten. Sie zeigen, wie sich Werte und Haltungen in unseren Auseinandersetzungen und Erfahrungen mit anderen Personen, durch unsere Herkunft, der Aneignung von Wirklichkeiten und unseren Entwürfen für ein gelungenes Leben bilden. Identität ist oft die Summe dessen, wie wir andere sehen oder verkennen und wie wir gesehen werden und gesehen werden wollen.

In kurzen Überblicksdarstellungen wird in diesem und weiteren Beiträgen auf Doing Geo & Ethics das digitale Lernportal "Geographie rassismuskritisch unterrichten" vorgestellt, um dazu zu animieren, das Potential aller Module der Autor*innen Noha Abdel-Hady, Sonja Kanemaki, Javed Mües und Luisa Nerlich zu entdecken. Das Portal spricht selbstverständlich nicht nur Geographielehrkräfte an, sondern ist für jede Lehrperson von Bedeutung, die gesellschaftliche Wandlungsprozesse verstehen, begleiten unterstützen und Diversität ernstnehmen und sich (im Unterricht) mit Rassimus, Inter- und Transkulturalität beschäftigen möchte. 
Wichtiger Hinweis: Das aufwändige und umfangreiche Blog-Projekt befindet sich im Aufbau, die Autor*innen müssen diesbezüglich um Geduld bitten, d. h. nicht alle Unterthemen sind schon online gestellt, die Auffächerung zeigt den Umfang des Projektes - das Warten und einstweilige Nutzen des bisherigen Arbeitsstandes lohnt!

Bildungsarbeit beginnt bei der eigenen Person – DIR! Niemand ist frei von Diskriminierung. Auch für Lehrer:innen muss daher der erste Schritt in der Auseinandersetzung mit Rassismus die Selbstreflexion von eigenen rassistischen Anteilen im Denken und Handeln sein. So besteht jede Person aus unterschiedlichen biographischen Facetten, die sich wie ein Mosaik zusammenfügen. Hier setzt du dich aktiv mit deinen eigenen Identitäten und Zugehörigkeiten auseinander. Viel Spaß!

Geographie rassimuskritisch unterrichten

Selbstreflexion – Modul 1

Jedes der drei Modeule zu durchlaufen nimmt etwas Zeit in Anspruch, denn es ist nicht so einfach , sich dem anzunähern, was in der Regel unreflektiert unsere Wahrnehmungen und Bewertungen leitet: „Die sozio-kulturellen Lebensbedingungen nehmen bei der Herausbildung der eigenen Identität eine wichtige Funktion ein und bilden das Fundament, auf dem sie aufgebaut wird“(ebd.). Zudem ist Identität, auch wenn wir fast notwendigerweise geneigt sind, sie als etwas Stabiles wahrzunehmen, „immer etwas Unbestimmtes, das sich auch in Umschreibungen wie Patchwork-Identität oder Collage ausdrückt.“(ebd.) Diese Unbestimmtheit kann leicht als Orientierungslosigkeit gelesen und wahrgenommen werden. Identitätsbildung ist jedoch notwendig flexibel, d.h. „die Gesamtheit der eigenen Identität ist nur aus einer multiperspektivischen, reflexiven Grundhaltung gegenüber neuen Einflüssen und Veränderungen zu verstehen„(ebd.). Dies für sich zu entfalten, zu verstehen und den Blick hin zu rassismuskritischen Betrachtungsweisen zu lenken, laden die drei Blöcke von Modul 1 ein:

Zu den Modulen über https://rassismuskritisch-unterrichten.blogs.uni-hamburg.de/modul-selbstreflexion/

Didaktisches Konzept

Das Modul ist in drei Blöcke aufgeteilt, die aufeinander aufbauen, aber auch bei entsprechendem Vorwissen oder Vorerfahrungen getrennt voneinander durchlaufen werden können. Jeder Block des Moduls muss linear durchlaufen werden, dieser lineare Durchlauf leitet über kurze Anmoderationen, erläuternde und definitorische Passagen zu Selbstreflexionsblättern, die am besten ausgedruckt und handschriftlich bearbeitet werden. Die Idee dahinter ist vermutlich, dass man sich im eigenen Schreiben stärker auf einen unbeobachteten selbstreflexiven Prozess einlassen kann. Selbstverständlich können die Selbstreflexionsblätter auch im Unterricht als Arbeitsblätter eingesetzt werden. Überhaupt ist die didaktisch-methodische Aufarbeitung und Rhythmisierung exzellent umgesetzt, so dass man sich leicht im eigenen Tempo und auch mit Unterbrechungen die kurzen Abschnitte vornehmen kann.

Beispiele für Arbeitsblätter/Blätter zur Selbstreflexion

Desweiteren sind in eine Vielzahl an Modulen Videos eingebunden, zum Beispiel zum Thema Othering & Framing, die ebenfalls Anregungen und Beispiele bieten für einen rassismuskritischen Unterricht:

Zudem wird auf weiterführende wissenschaftsbasierte, von Universitäten eingerichtete Blogs verwiesen wie den der Hamburg Open Online University, die auch für den Deutsch- oder Kunsterziehungsunterricht interessant sind:

Zu den Angeboten über: https://blogs.hoou.de/diversify/

Text: Stefan Applis (2022) unter engem Bezug auf https://rassismuskritisch-unterrichten.blogs.uni-hamburg.de/modul-selbstreflexion/

Titelbild: Brown watercolor photo created by rawpixel.com – www.freepik.com

Literatur

  • Arndt, Susan (2020). Rassismus. Die 101 wichtigsten Fragen. München: CH Beck Verlag.
  • Castro Varela, María de Mar & Dhawan, Nikita (2020): Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung. 3. Aufl. Bielefeld: transcript, utb.
  • Melter, Klaus & Mecheril, Paul (2009): Rassismuskritik. 1. Rassismustheorie und -forschung. Frankfurt am Main: Wochenschauverlag.
  • Ogette, Tupoka (2022): Und jetzt Du. Rassismuskritisch leben. München: Penguin Verlag.