Themenheft der Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung

Die Beiträge des Themenheftes 23 der Open-Access-Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung widmen sich der pädagogischen und didaktischen Frage, wie Kompetenzen im Umgang mit Fotografien im Unterricht gefördert und erworben werden können, die für die Partizipation an einer bildzentrierten Gesellschaft von Bedeutung sind und, nicht zuletzt, worin die Begründung einer solche Förderung liegt; in den Einzelbeiträgen des Themenheftes werden die folgenden Themenbereiche fokussiert:

  • Fotografiege­schichte als Lerngegenstand in Schule und Hochschule
  • fotopraktische (Forschungs­)Projekte als Explorationen medienpädagogischer Potenzi­ale
  • Dimensionen von Fotografie in Medien­ und Kunst­rezeption.

Fotografien lesen, Bilder machen, sich ein Bild machen – die Beiträge des Themenheftes loten den Zusammenhang zwischen Bildrezeption, Bildproduktion und der Erschliessung dessen aus, was uns als Realität umgibt und im fotografischen Medium ‹ins Bild gesetzt› ist. Dass es einer Reflexion solcher Bildwerdungsprozesse bedarf, um die viel diskutierte Wirkmacht der Bilder oder ihre inflationäre Unsichtbarkeit kritisch zu hin­terfragen, weisen die verschiedenen Zugänge zu Fotografie im breite­ren Kontext pädagogischer Vermittlungsarbeit auf.

Hermann, Stiegler & Schlachetski (2013): Editorial. In Visuelle Kompetenz: Bilddidaktische Zugänge zum Umgang mit Fotografie. Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, 2013(23), S. 1.

In den gut lesbaren Beiträgen geht es den Autor*innen nicht darum, theoretisch ausufernd zu erörtern, worin genau – in Abgrenzung zu anderen möglichen Konzeptionen – visuelle Bildkompetenz zu verstehen ist. Vielmehr sind die Beiträge an der Darstellung und Reflexion von Bildbeispielen orientiert – das macht sie als Grundlage zur Erweiterung und Ordnung bereits vorhandener Wissensbestände zu Bilddidaktik sehr gut nutzbar; außerdem können ausgehend von den Beiträgen leicht Unterrichtssequenzen entworfen werden, die in der Wahl eigenen Bildmaterials an die jeweiligen Fachbedürfnisse angepasst werden können. Und es finden sich Praxisbeiträge, die Impulse für die (Projekt-)Arbeit mit Fotografien im Geographie- und Ethikunterricht geben.

Ausgewählte Einzelbeiträge

Holzwarth, P. (2013) «Fotografische Wirklichkeitskonstruktion im Spannungsfeld von Bildgestaltung und Bildmanipulation», MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, 23(Visuelle Kompetenz), S. 1–22. doi: 10.21240/mpaed/23/2013.08.09.X

Der Beitrag von Peter Holzwarth stellt die Frage nach den Grenzen zwischen Bildgestaltung und Bildmanipulation und gibt einen Überblick zu verschiedenen gestalterischen Strategien, durch die Bedeutungen konstruiert bzw. manipuliert werden können. Am Ende werden Potenziale für pädagogische Kontexte diskutiert und zusammengefasst:

Für pädagogische Kontexte ergeben sich vielfältige Möglichkeiten, das Phänomen Bildmanipulation zu thematisieren (vgl. Holzwarth 2011; Holzwarth 2012). Dabei können sowohl kognitiv orientierte (z.B. Diskussionen über Begriffsdefinitionen) als auch handlungsorientierte Zugänge gewählt werden (z.B. Bildausschnitte ergänzen oder Bedeutungsveränderungen durch Bildunterschriften). Ein wichtiger Aspekt kann darin bestehen, verschiedene Möglichkeiten der Bedeutungskonstruktion anhand von vorgefundenen oder selbst produzierten Beispielen bewusst zu machen und deren manipulatives Potenzial zu reflektieren. Ein differenzierter und kontextsensitiver Umgang mit dem Begriff «Manipulation» ist ein weiteres mögliches Lernziel. Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit Fotografie als Mittel der Bereicherung und Veränderung von Sichtweisen nutzbar gemacht werden kann. […] Eine weitere Funktion kann darin bestehen, sich über die Fotografie der Relativität von Wirklichkeitsdeutungen und Wahrnehmungsstandpunkten bewusst zu werden.

ebd.

Holzwarths Beitrag bietet eine knapp gefasste, anschaulich präsentierte und sehr gut illustrierte Einführung in grundlegende Elemente einer Bilddidaktik und ist deshalb für Lehrkräfte aller Fächer, die sich noch nicht tiefer gehend mit Bilddidaktik beschäftigt haben, hervorragend geeignet. Die vielen eigenen und historischen Bildbeispiele und deren kundige Reflexion macht es einfach, über mögliches eigenes Bildmaterial, angepasst an die jeweiligen Fachbedürfnisse nachzudenken.

Fankhauser, Regula & Bader, Barbara (2013). «Fotografieren im Sachunterricht – Ergebnisse aus einer Fallstudie». MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung 23 (Visuelle Kompetenz):1-12. https://doi.org/10.21240/mpaed/23/2013.06.07.X

Der Beitrag von Regula Fankhauser und Barbara Bader stellt Ergebnisse einer geographischen Studie zur Raumwahrnehmung und Raumerschließung von Kindern einer 5. Klasse vor, die den Auftrag hatten, sich ein Stadtviertel zu erschließen. Hierbei hatte eine Gruppe relativ eng geführte Arbeitsaufträge, die mit Papier und Bleistift auszuführen waren, d. h. es ging u. a. um das Erstellen von Plänen, Skizzen und das Erheben von Daten. Die andere Gruppe arbeitet rein fotografisch.

Der Artikel [geht][…] der Frage nach, wie sich fotografisch gelöste Beobachtungsaufgaben von sprachlich realisierten unterscheiden, welchen Aufschluss sie geben über die Lern- und Konstruktionsprozesse von Kindern und wie sie für das Lernen im Sachunterricht genutzt werden könnten. Der fallkontrastierende Vergleich macht deutlich, wie unterschiedlich, ja disparat die fotografischen Lösungswege sind, die die Kinder eingeschlagen haben, und wie wenig sie sich – im Unterschied zu den sprachlich arbeitenden Kindern – von Instruktionen lenken liessen. Dieser konstruktive Aspekt des Mediums Fotografie könnte im Sachunterricht deshalb – wenn gezielt eingesetzt und methodisch reflektiert – zur Realisierung eines mehr selbstgesteuerten Lernens dienen, in welchem der subjektive Blick auf die Welt als Teil der Wissenskonstruktion integriert würde.

ebd.

Text: Stefan Applis (2022)

Literatur:

Thomas Hermann, Bernd Stiegler & Sarah M. Schlachetzki (Hg.)(2013). Visuelle Kompetenz: Bilddidaktische Zugänge zum Umgang mit Fotografie. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, 2013(23). https://doi.org/10.21240/mpaed/23.X