Zur Regulierung digitaler Plattformen als Infrastrukturen der Daseinsvorsorge

Digitale Plattformen wie Amazon, Google oder Facebook sind binnen weniger Jahre zu zentralen Akteuren der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft aufgestiegen. Onlinemarktplätze, Suchmaschinen und soziale Netzwerke sind aus dem Alltag der meisten Menschen kaum mehr wegzu-denken. Zugleich wächst die Kritik an der wirtschaftlichen Macht und dem gesellschaftlichen Einfluss der „Super-Platt-formen“ (Ezrachi/Stucke 2016: 149). Rufe nach einer Zähmung oder gar Zerschlagung der großen Digitalunternehmen werden in Europa und den USA immer lauter (Teachout 2020; Pasquale 2018). […] Google und Facebook, aber auch digitale Start-ups, die später häufig von den großen Digitalkonzernen aufgekauft werden, dringen immer weiter in Lebensbereiche vor, in denen es um gesellschaftliche Teilhabe und die Grundversorgung der Bevölkerung mit wesentlichen Leistungen geht. Digitale Plattformen haben sich damit zu Infrastrukturen der digitalen Daseinsvorsorge entwickelt.

Busch (2021, 5)


Die von Christoph Busch vorgelegte Studie spricht sich dafür aus, Plattformregulierung nicht nur als eine Frage der Wettbewerbspolitik, sondern auch eine Frage der Infrastrukturpolitik und staatlicher Infrastrukturverantwortung zu verstehen. In diesem Zusammenhang werden raumbezogene und ethische Aspekte in Bezug auf die normative Beurteilung von Plattformen relevant. Dies wird an den folgenden mögliche Ansatzpunkten für eine Weiterentwicklung des geltenden Regulierungsrahmens deutlich:

  1. Wettbewerbs- und Medienrecht bedürfen der Ergänzung durch ein Plattforminfrastrukturrecht, das digitale Plattformen als gesellschaftliche Infrastrukturen und zunehmend wichtige Akteure im Bereich der Daseinsvorsorge erfasst.
  2. Im Rahmen seiner Gewährleistungsverantwortung für Infrastrukturen der digitalen Daseinsvorsorge muss der Staat die allgemeine Zugänglichkeit und diskriminierungsfreie Er- bringung von Infrastrukturleistungen durch digitale Plattformen gewährleisten. Es muss sichergestellt werden, dass Leistungen der digitalen Daseinsvorsorge flächendeckend zu erschwinglichen Konditionen verfügbar sind.
  3. Digitale Infrastrukturplattformen, die den Zugang zu Leistungen der Daseinsvorsorge kontrollieren, tragen eine besondere Verantwortung für den Datenschutz. Dem könnte durch die Einführung eines Rechts auf datenerhebungsfreie und nichtpersonalisierte Nutzung digitaler An-gebote der Daseinsvorsorge Rechnung getragen werden.
  4. Angesichts des zunehmenden Einflusses digitaler Plattformen auf das gesellschaftliche Zusammenleben und die Grundrechtsausübung von Bürger_innen steigt auch die grundrechtliche Verantwortung der Plattformbetreiber. Ein künftiges Plattforminfrastrukturrecht sollte insbesondere die wesentlichen Anforderungen für ein faires Verfahren über die Geltendmachung von Zugangsansprüchen zu Infrastrukturplattformen festlegen.
  5. Zur effektiven Durchsetzung des Plattforminfrastrukturrechts bedarf es einer institutionellen Verankerung der infrastrukturbezogenen Plattformregulierung. In Betracht kommt dafür entweder die Schaffung einer neuen Aufsichtsbehörde oder die Einrichtung einer eigenständigen Abteilung im Bundeskartellamt.

Unterrichtliche Hinweise

Die von der Friedrich-Ebert-Stiftung geförderte Studie von Christoph Busch bietet zum einen fachliches Hintergrundwissen zu Plattformen als Phänomene der digitalen Transformation und zum anderen Beispiele, die räumliche und ethische Aspekte dieser Transformation thematisieren und als Grundlage für die Behandlung von Plattformen als Infrastrukturen im Geographie- und Ethikunterricht oder auch im Sozial- und Politikunterricht eingesetzt werden können.

Text: Stefan Applis (2022) unter engem Bezug auf Christoph Busch (2021). Regulierung digitaler Plattformen als Infrastrukturen der Daseinsvorsorge https://library.fes.de/pdf-files/wiso/17527.pdf