Der Beitrag von Philosoph*innen zur Klimadebatte

Der Philosoph Christian Baatz reflektiert in seinem Beitrag auf dem Philosophie-Blog prae | faktisch die Frage nach den individuellen Pflichten angesichts des globalen Klimawandels.

Klimaschutz wird trotz der Corona-Krise weiterhin stark diskutiert und Jugendliche fordern Regierungen seit langem zum Handeln auf (vgl. Ergebnisse der PISA-Studie zu globalen und interkulturellen Themen) – in den Schulen diskutieren Lehrkräfte die damit verbundene politisch-sozialen, ökonomischen und ökologischen Fragen. Eine Frage, die viele bewegt ist die nach der individuellen Verantwortung: „[M]uss auch jede/r Einzelne ihren oder seinen Beitrag zum Klimawandel reduzieren?“ (Baatz 2020) Oder ist es vielmehr der Staat, d. h. die diesen führende Regierung und mit dieser die Menschen, die Politik gestalten, die die Hauptverantwortung tragen? Greta Thunberg, Initiatorin der Fridays for Future (FFF) Bewegung wurde immer wieder für ihren persönlichen Treibhausgas(THG)-Ausstoß kritisiert, gleiches gilt für Luisa Neubauer, der man ihre frühren Urlaube vorwirft. Diese Kritik lässt sich in einem Satz bündeln: „[W]er für radikale THG-Reduktionen plädiert, sollte einen THG-armen Lebenswandel führen.“ (Baatz 2020) Und man kann ergänzen: Wer nicht in der Lage ist dies zu leisten, der sollte sich mit seiner Kritik an anderen zurückhalten.

Philosoph*innen können gesellschaftliche Diskussionen strukturieren, auf (verstecke) Prämissen und fehlerhafte Argumente hinweisen und zeigen, wie sich moralische Intuitionen vieler Menschen argumentativ einholen lassen. Sie können das Verständnis und die Ausgestaltung von Konzepten wie „Demokratie“ oder „zivilem Ungehorsam“ erörtern, zu deren Weiterentwicklung beitragen und Bewegungen wie FFF kritisch begleiten. Das funktioniert aber nur als Teil der öffentlichen Debatte.

Christian Baatz (2020)

Baatz unterscheidet drei Fragen, auf die wir in der Regel glauben, eine sichere Antwort zu haben, analysiert die Antworten, die auf diese Fragen üblicherweise gegeben werden und deckt innere Widersprüche in den Common-Sense-Antworten auf:

  1. Macht es einen Unterschied, ob ich emittiere?
  2. Müssen politische Überzeugung und Lebensstil kohärent sein?
  3. Welche Pflichten zur Emissionsreduktion bestehen und was sind faire Anteile am Emissionsbudget?

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Pflichten-Position darauf hinausläuft, „dass ein Großteil der Bürger*innen in „westlichen“ Gesellschaften, aber auch Angehörige der Mittel- und Oberschicht in vielen anderen Ländern, moralisch verpflichtet sind, sowohl THG-Emissionen in ihrem Verantwortungsbereich so weit wie möglich zu senken, als auch für eine Umgestaltung der gesellschaftlichen „Spielregeln“ einzutreten, so dass diese zu einer Dekarbonisierung unserer Lebensweisen führen.

In einer Situation, in der ein Konflikt zwischen beiden Pflichten vorliegt, kann es durchaus zulässig sein, sich für politisches Engagement zu entscheiden, z.B. um an einer Klimakonferenz teilzunehmen oder Unternehmer*innen in Davos ins Gewissen zu reden“ (Baatz 2020). Denn indem die die FFF-Bewegung der Klimawandel-Thematik und eine stärkere öffentliche Präsenz verschafft hat, sind Wissenschaftler*innen auch mehr in der Lage, ihren Positionen und Forschungsergebnissen im politischen Raum Gehör zu verschaffen.

Hinweise zum unterrichtlichen Einsatz

Der Beitrag von Christian Baatz ist hilfreich, weil man sich als Lehrkraft ohnehin mit der weit verbreitete Intuition grundlegend auseinandersetzen sollte, dass man selbst in der Lage sein muss, die moralische Forderung nach einer klimaschonenden Lebensweise vollständig zu erfüllen. Denn diese Intuition ist Bestandteil von gängigen Common-Sense-Argumentationen, die auch im Unterricht immer wieder vorgebracht werden. Besonders hilfreich ist, dass der Autor in seine Beitrag Zeitungsberichte einbindet, die die entsprechenden Common-Sense- Argumentationen enthalten. Die von Christian Baatz analysierten Fälle und Analysen lassen sich – bspw. unterstützt durch Textausschnitte aus Zeitungsberichten – im Unterricht behandeln und beispielsweise in einer Concept Map (vgl. Beitrag zu Hans Jonas‘ Verantwortungsethik) darstellen.

Neben dem Text von Christian Baatz finden sich noch einige weitere Beiträge zu Fragen des Klimawandels auf prae|faktisch z. B. der Beitrag „Wir wissen genug“ der Philosophin Anne Burkard.

Text: Stefan Applis (2020)

Bild: prae|faktisch

Zum Autor:

Christian Baatz lehrt und forscht am Philosophischen Seminar der CAU Kiel und leitet dort eine Nachwuchsgruppe zur gerechten Finanzierung von Anpassung an den Klimawandel. Neben Klimaethik arbeitet er zu Menschenrechten und Nachhaltigkeit.