Sich und anderen mit philosophischen Überlegungen Orientierung verschaffen

Die Philosophin und Philosophiedidaktikerin Anne Burkhard skizziert in ihrem Beitrag für den Philosophie-Blog prae|faktisch, wie es möglich ist, sich mittels der Philosophie in Bezug auf die vielen, oft verwirrend komplexen Fragen des Klimawandels zu orientieren. Und das, obwohl die Philosophie häufig gerade dadurch charakterisiert wird, dass sie Zweifel erzeugt. Anne Burkhard zeigt auf, wie insbesondere ethische Reflexion zu der Einsicht führen kann, dass wir genug wissen, um im Hinblick auf die Klimakrise bestimmte immer wieder vorgebrachte Zweifel begründet zurückzuweisen – und um zu erkennen, dass wir verpflichtet sind, jetzt zu handeln.

Ungeachtet der großen Komplexität und der Fehlbarkeit der wissenschaftlichen Ergebnisse wissen wir demnach genug darüber, dass der Klimawandel maßgeblich menschengemacht ist, darüber, dass die globale Erwärmung wahrscheinlich in ein bis drei Jahrzehnten 1,5 °C erreichen wird, wenn nicht unmittelbar weitreichende Änderungen unserer Lebensweise in den Industrieländern in Angriff genommen werden, und darüber, dass die Erwärmung mit massiven Gefahren und Schäden für den Menschen und seine Lebensgrundlage einhergeht, die zudem global extrem ungleich verteilt sein werden.

Anne Burkhard, Wir wissen genug

Ethische Grundlagen  

Vieles, schreibt Anne Burkhard, sei „in der Ethik umstritten, und wie in den Klimawissenschaften haben wir es bei klimaethischen und mit diesen zusammenhängenden politischen Fragen mit hoch komplexen Herausforderungen zu tun.“ Die moralischen Pflichten, die aus der Klimakrise erwachsen, seien deshalb „nicht nur angesichts offener empirischer Fragen im Detail schwer zu beantworten, sondern auch vor dem Hintergrund ungeklärter und strittiger Fragen in der Ethik.“ Dennoch, hält Anne Burkhard fest, rechtfertige dies keinesfalls umfassende Zweifel. Dies können wir sehen, wenn wir uns einige grundlegende, in der philosophischen Ethik weithin akzeptierte normative Urteile vor Augen führen: 

  • Wir sind prima facie verpflichtet, andere Menschen nicht zu schädigen, insbesondere dann nicht, wenn sie unschuldig und verletzlich sind.  
  • Wir sind prima facie verpflichtet, Menschen in Notlagen zu helfen, insbesondere dann, wenn die Notlagen unverschuldet sind, wenn es um grundlegende Interessen geht und wenn die Hilfeleistung uns nicht überfordert.
  • Wir sind prima facie verpflichtet, Handlungen zu unterlassen, die mit sehr großen Risiken verbunden sind, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten.

Der Beitrag von Anne Burkhard eignet sich sehr gut dafür, zunächst einmal sich selbst Orientierung zu verschaffen. Davon ausgehend kann man überlegen, wie man mit Schüler*innen ins Gespräch kommt, um diesen Orientierungsangebote zu machen.

Neben Anne Burkhards Text finden sich noch einige weitere Beiträge zu Fragen des Klimawandels auf prae|faktisch.

Text: Stefan Applis (2020)

Bild: prae|faktisch

Zur Autorin:

Anne Burkard ist Professorin für Didaktik der Philosophie und das Fach Werte und Normen an der Georg-August-Universität Göttingen. Im Bereich der Philosophiedidaktik arbeitet sie unter anderem zu Umgangsweisen mit Skepsis und Relativismus im Unterricht, zu sprachlicher Bildung im Fach, zu Unterrichtskonzeptionen für Themen der Ethik sowie zum philosophischen Argumentieren. Im Bereich der Praktischen Philosophie beschäftigt sie sich mit Fragen der Rechtfertigbarkeit moralischer Urteile, der Tierethik und der Metaethik.

Leseempfehlungen:

Birnbacher, Dieter (2016): Klimaethik. Nach uns die Sintflut? Stuttgart: Reclam.

Corner, A., Lewandowsky, S., Phillips, M. and Roberts, O. (2015) The Uncertainty Handbook. Bristol: University of Bristol. (Link zur deutschen Übersetzung)

IPCC 2018: IPCC-Sonderbericht über 1,5 °C globale Erwärmung – Hauptaussagen (deutsche Fassung). (Link)