Karikaturanalyse neu denken

Die Karikaturanalyse, sei es im Deutsch-, Geographie-, Politik- oder Geschichtsunterricht, läuft meist nach einem standarisierten Schema ab, das sich grob in die folgenden Schritte gliedert:

  • »Beschreibe die Karikatur«
  • »Erkenne und erkläre das Thema«
  • »Gehe auf die Symbole ein«
  • »Interpretiere die Aussage der Karikatur«
  • »Nimm selbst Stellung«

In dieses Schema kann das ethische Nachfragen so integriert werden, dass es auch im Geographieunterricht gelingen kann.

Ethische Fragen in Karikaturen

Dieser Schritt könnte nach dem Schritt »Erkenne und erkläre das Thema« erfolgen oder zusammen mit diesem.

1 »Erkenne und formuliere die ethische(n) Frage(n), die die Karikatur anspricht.« Mögliche Fragestellungen, die immer wieder vorkommen, sind beispielsweise:

  • Fragen der Gerechtigkeit:
    • »Ist das gerecht gegenüber der nächsten Generation?«
    • »Ist das gerecht gegenüber Entwicklungsländern?«
    • »Ist es gerecht, wenn alle das Gleiche haben oder einer mehr hat?«
  • Fragen von Schuld und Verantwortung:
    • »Wer trägt die Schuld und warum?«
    • »Wer ist für was verantwortlich und warum?«
    • »Inwiefern trägt jemand überhaupt Verantwortung für die Folgen seines Handelns?«
  • Fragen im Zusammenhang mit den Menschenrechten:
    • »Warum ist das unmenschlich?«
    • »Inwiefern verstößt das gegen die Menschenrechte?«
    • » Inwiefern wird mit bestimmten Menschenrechten begründet?«
  • usw.

Weitere Fragen können sich direkt auf ethische Themen beziehen:

  • umweltethische Fragen:
    • »Inwiefern hat der Schutz der Natur Vorrang?«
    • » Sind Mensch und Tier gleich in ihrem Wert?«
  • usw.

2 »Erkläre, inwiefern die ethischen Fragen in der Karikatur beantwortet und bewertet werden«

  • Wie wird bewertet?
    • »Die nächste Generation muss gerecht behandelt werden, indem man die möglichen Folgen dessen, was man in der Natur anrichtet, immer mit bedenkt.«
  • Welche Kriterien werden für die Bewertung herangelegt? Z.B. Generationengerechtigkeit, starke Nachhaltigkeit

Es kann bereits beim ersten Schritt aufgehört werden, je nachdem wie weit man in die Tiefe gehen will und kann. Oft ergeben sich eine ganze Reihe von ethischen Fragen, die miteinander zusammenhängen.

Ethische Fragen in der Karikaturanalyse – Ein Beispiel

Die Ausführungen beziehen sich auf die Karikatur am Anfang:

1 Mögliche Fragestellungen:

Schützt Unwissenheit davor, für etwas die Verantwortung zu tragen? Inwieweit trägt man die Verantwortung für Folgen, die man nicht (genau) abschätzen konnte? Inwiefern ist eine Generation dafür verantwortlich, dass Natur und Lebensbedingungen für die nachfolgende Generation erhalten bleiben? Inwiefern müssen und können die Lebensbedingungen gleichwertig erhalten bleiben?

2 Eine Bewertung der Fragen ist in der Karikatur indirekt angelegt.

Es ist offensichtlich, dass das Handeln schlechte Folgen hat (die beiden schwitzen, die Stadt ist untergegangen). Der ältere Mann versucht sich zu rechtfertigen, fühlt sich damit also möglicherweise schuldig bzw. verantwortlich dafür, dass der kleine Junge nun schwitzen muss und auf die untergegangene Stadt blickt. Diese Darstellung kann als Bewertung gesehen werden dafür, dass der ältere Herr verantwortlich gemacht wird.

Als Kriterium können Aussagen gelten, die etwa im Sinne des Verantwortungsethikers Hans Jonas formuliert werden: »Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.«

Dies kann Jonas‘ »Heuristik der Furcht« kombiniert werden, die besagt, dass man der negativen Prognose der Folgen gegenüber der positiven stets mehr Beachtung schenken sollte. Man soll also, anders formuliert, von den schlechten Folgen ausgehen, bei der Frage, ob man etwas tut. Auf ein Nicht-Wissen darf man sich nicht berufen.

Es muss nicht mit ethischer Theorie kombiniert werden und kann einfach von den Schüler*innen selbst formuliert werden.

Und in der Unterstufe? – Eine Übertragung auf Bilder

Die Übertragung der Schritte zur Karikaturanalyse auf Bilder ist oft möglich und kann eine Gelegenheit sein, ethisches Fragen in der Unterstufe einzuüben.

Nachhaltig wirtschaftende Unternehmen oder Läden werben oft mit dem Wort »enkeltauglich«. In der Unterstufe kann das Erkennen der ethischen Fragen z. B. anhand einer Werbung (hier fingiert) zum Thema »Nachhaltigkeit« erfolgen und in die Bildbetrachtung integriert werden:

  • Was bedeutet das Wort »enkeltauglich«? (= semantische Nachfrage)
  • Für was wirbt das Unternehmen?
  • Warum kann das einen Anreiz geben, hier etwas zu kaufen?
  • Wie fühlen sich die die Käufer?
  • Was hat das mit der Frage der Verantwortung zu tun? (= ethische Nachfrage)
  • Inwiefern ist es richtig, so zu werben? (= ethische Nachfrage)

Autorin: Eva Marie Ulrich-Riedhammer

Bild: Gerhard Mester (oben), eigene Quelle (unten)