In einem weiten, überaus allgemeinen Sinne kann interkulturelle Bildung verstanden werden als das pädagogische und didaktische Bemühen, das Miteinander in einer globalisierten, heterogenen Gesellschaft möglichst gelingend zu gestalten.

Vereinfacht lassen sich drei Ansätze unterscheiden, denen verschiedene Konzepte von Kultur zugrunde liegen (siehe dazu auch Blogeintrag „Kulturräume – eine geographische und ethische Kategorie?“).

  • Multikulturalität meint das Nebeneinander von Gruppen jeweils gleicher kultureller Identität. Dabei ist dieses Konzept ethisch zunächst unbestimmt. Man kann eine multikulturelle Gesellschaft als problematisch erachten, oder als begrüßenswert. Wesentlich dabei ist aber die Vorstellung, dass Menschen entlang von Kultur sehr klar unterscheidbar seien. Das Trennende wird eher betont. Geographisch verbunden ist dieser Ansatz nicht selten mit einer Verortung von Kulturen, die als mehr oder weniger distinkt angenommen werden – etwa in Form von Kulturräumen (z.B. „Orient“) oder bestimmten Vierteln (z.B. „muslimische“ Banlieues in Paris).
  • Interkulturalität wird einerseits als ein Überbegriff für unterschiedliche Ansätze (inklusive Multikulturalität und Transkulturalität) verwendet, steht andererseits für einen bestimmten Blick auf das Miteinander von Kulturen: Auch hier geht man von dem Vorhandensein mehr oder weniger klar unterscheidbarer kultureller Identitäten aus. Der Fokus liegt aber vor allem auf dem Austausch, auf dem gegenseitigen Verstehen auf der Grundlage von Werten wie Gleichheit und Toleranz. Dieses Paradigma ist seit den 1990er Jahren im bildungstheoretischen Diskurs wesentlich.
  • Das Konzept der Transkulturalität unterscheidet sich deutlicher von den beiden anderen Ansatzbündeln. Die Grundannahme ist, dass jeder Mensch von einer Vielzahl an identitätsbildenden Faktoren geprägt wird, die sich wandeln können. Hierbei werden eher die möglichen Gemeinsamkeiten zwischen Individuen betont. So ist etwa „das Islamische“  oder das „Syrische“ möglicherweise Teil der Identität eines Schülers, aber ebenso versteht er sich als Heavy-Metall-Fan, als Vegetarier, als Mathe-Pro etc.

Eine gelungene Erklärung mit geeigneten, veranschaulichenden Graphiken zu den unterschiedlichen Sichtweisen von inter- und transkultureller Bildung liefert das folgende Video von kulturshaker/Götz Kolle:

Unser Blick auf Kulturalität, den wir uns häufig nicht bewusst machen, hat Auswirkungen auf den Unterricht. Je nachdem, welcher Perspektive wir – explizit oder implizit – eher anhängen, formulieren wir unterschiedliche Lernziele, etwa: Die Schüler*innen…

  • …erkennen die Vielfalt und das Nebeneinander verschiedener Kulturen (multi.).
  • …sind sensibel und tolerant im Umgang mit anderen Kulturen (inter.).
  • …gehen kritisch mit der Zuschreibung von kulturell „Eigenem“ und „Fremden“ um (trans.).

Per se ist keiner der drei Ansätze als „schlecht“ zu disqualifizieren. Wichtig aber bleibt, dass wir uns als Lehrer*innen unserer impliziten Vorstellungen gewahr werden, um diese entsprechend reflektieren zu können.

Text: Christoph Baumann (2022)

Bild: Freepic

Literaturempfehlungen:

Nieke, W. (2008): Interkulturelle Erziehung und Bildung. Wertorientierungen im Alltag. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. Wiesbaden.

Takeda, A. (2012): Wir sind wie Baumstämme im Schnee. Ein Plädoyer für transkulturelle Erziehung. Münster/New York/München/Berlin.

Kelle, Götz (Trainer für transkulturelle Bildung): Website/Blog „Kulturshaker – Kritische Kulturtheorie für die Praxis“