Ein Beitrag von Julia Althoff

Umsiedelung und Fluchtmigration als Folge des ansteigenden Meeresspiegels, von Wetterextremen und der Veränderung von Ökosystemen

Nach Angaben der Welthungerhilfe könnte es bis 2050 140 Millionen Klimaflüchtlinge geben, Greenpeace geht sogar von 200 Millionen Klimaflüchtlingen bis 2040 aus. Dabei sind besonders Menschen in ärmeren Ländern, die nur einen sehr geringen Anteil zum weltweiten CO2-Ausstoß beitragen, gefährdet. Durch den steigenden Meeresspiegel, Wetterextreme oder die Veränderung von Ökosystemen können diese zu Flüchtlingen werden (Oxfam Deutschland 2019, Welthungerhilfe 2020) – doch auch in Europa kündigt sich Klimaflucht mehr und mehr an.

Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Flucht (Abbildung: Welthungerhilfe 2020)

Die Einwohner Fairbournes – die ersten Klimaflüchtlinge des Vereinigten Königreichs?

Lage von Fairbourne an der Küste von Wales (Quelle: Openstreetmaps)

Das Dorf Fairbourne in Gwynedd, Wales, liegt an der Küste der Irischen See. Es is umgeben vom Snowdonia National Park und liegt in einer flachen Marschlandebene (Black 2019). Rund 1.100 Einwohner leben in Fairbourne. Wie im UK Climate Change Risk Assessment Evidence Report beschrieben, ist Fairbourne stark durch den Anstieg des Meeresspiegels, durch Küstenerosion, Sturmfluten und Risiken des Übertretens von Flüssen gefährdet.

So werden pro Jahrhundert zwischen 30 und 100 m Küste erodiert; durch den klimawandelbedingten Meeresspiegelanstieg könnten es nun sogar zwischen 52 und 250 m sein. Der entscheidende Faktor für Fairbournes Zukunft ist somit die Geschwindigkeit und das Ausmaß des Meeresspiegelanstiegs: Erreicht der Anstieg 36 cm, wird ein Großteil des Dorfes von regelmäßigen Überschwemmungen betroffen sein; bei einem Anstieg von 50 cm ist der kritische Wert erreicht, bei dem Fairbourne aufgegeben werden muss (Kovats / Osborn 2016) – ein weiterer Schutz vor Überflutung erscheint dann (finanziell) nicht mehr nachhaltig (Fairbourne Moving Forward 2020, Thomas 2014). Nach Schätzungen wird der Zeitpunkt eines zu hohen Meeresspiegels zwischen 2052 und 2062 (resp. – unter Einbezug von Unsicherheiten, was den genauen Meeresspiegelanstieg betrifft – zwischen 2042 und 2072) erreicht, sodass versucht wird, das Dorf noch für einen Zeitraum von rund 35 Jahren gegen das Wasser zu verteidigen (Fairbourne Moving Forward 2020). Danach sollen Fairbournes Einwohner ihre Grundstücke und Häuser dem Meer überlassen (Carstens 2019) – und könnten dann die ersten Klimaflüchtlinge des Vereinigten Königreiches sein (Black 2019).

»Because funding is made available for defences, but where is the funding if you have to retreat? Where is the funding if you manage realignments? Where is the funding if you are decommissioned?«

Syliva Stephenson (in: Channel 4 News 2019)

Die Bewohner fürchten, dass sie für das Aufgeben ihrer Häuser keine keine finanzielle Entschädigung erhalten. Zudem haben sie Bedenken, dass sie zusätzlich die Kosten für den Abriss tragen müssen (Carstens 2019, Channel 4 News 2019). Neben Finanzierungsplänen für Schutzmaßnahmen gegen die Folgen des Klimawandels offenbart sich somit die drängende Notwendigkeit für Regierungen, auch Finanzierungskonzepte für klimawandelinduzierte Neuausrichtungen vorzulegen.

Ideen für eine Behandlung im Unterricht

Die Website der Welthungerhilfe bietet eine Fülle an Bildmaterial, über das im Unterrichtseinstieg Assoziationen zum Thema ‚Klimaflucht‘ gesammelt werden können. Diese sollten in einer ersten Mindmap strukturiert werden. Über einen Filmbeitrag kann man eine Annäherung an den Raum leisten und die für das Themenfeld ‚Klimaflucht‘ relevanten Aspekte herausarbeiten (Lokalisierung Fairbournes, Erläuterung der Risiken, denen Fairbourne ausgesetzt ist, Erläuterung des Vorgehens, das angestrebt wird und Bewertung desselben). Für die ethische Bewertung der Folgen und der daraus resultierenden Entscheidungen bietet sich der Beitrag von Greenpeace über Fairbourne an, weil darin viele Einwohner*innen zu Wort kommen. Hierbei wird deutlich, dass die Umsiedelung von Menschen bzw. die durch den Klimawandel erzwungene Migration nicht nur ein technisches oder bürokratisches Problem darstellt.

Es sind die drei folgenden grundlegenden Fragen von Bedeutung (vgl. Roser & Seidel 2015)

1. Sind wir aus Gründen des Klimawandels gegenüber anderen zu etwas verpflichtet und wenn ja, wem gegenüber? (ethische Verpflichtungen gegenüber Personen)

2. Falls wir zu etwas verpflichtet sind, wozu sind wir verpflichtet und wozu nicht? (ethische Verpflichtungen zu bestimmten Handlungen)

3. Was sollen wir tun, um diesen Verpflichtungen nachzukommen? (mögliche Handlungen zur Erfüllung der ethischen Pflichten)

Am Ende sollte eine weiterführende (Recherche-)Arbeit erfolgen, die der Frage nachgeht, welches Risiko von Klimaflucht für die Küsten in Deutschland besteht. Die Gemeinde Fairbourne bietet über ihr Internetportal und die Initiative »Fairbourne Moving Forward Partnership« Bilder, Karten und Texte an, die im Unterricht zur Quellenarbeit eingesetzt werden können:

Autorin: Julia Althoff

Bilder: Welthungerhilfe (2020), fairbourne.info (2020)

Literatur

Black, P. (2019): UK village considers the unfathomable: tearing itself down before nature does. https://edition.cnn.com/2019/06/09/europe/fairbourne-wales-climate-change-sea-level-rise-intl-gbr/index.html (07.09.2020).

Carstens, P. (2019): Steigender Meeresspiegel. Dorf in Wales soll aufgegeben werden – was droht deutschen Küstenorten?. https://www.geo.de/wissen/21690-rtkl-steigender-meeresspiegel-dorf-wales-soll-aufgegeben-werden-was-droht-deutschen (07.09.2020).

Channel 4 News (2019): The Welsh villagers who could become Britain’s first climate refugees. https://www.youtube.com/watch?v=ee5NVtBQz8o&feature=emb_rel_pause (07.09.2020).

Fairbourne Moving Forward (2020): What is Fairbourne Moving Forward?. http://fairbourne.info/ (07.09.2020).

Greenpeace (2014): Greenpeace-Studie warnt vor humanitärer Katastrophe. 200 Millionen Klimaflüchtlinge bis 2040. https://www.greenpeace.de/presse/presseerklaerungen/200-millionen-klimafluchtlinge-bis-2040 (07.09.2020).

Kovats, R. S.; Osborn, D. (2016): UK Climate Change Risk Assessment Evidence Report: Chapter 5, People and the Built Environment. https://discovery.ucl.ac.uk/id/eprint/1564649/1/Osborn_UK-CCRA-2017-Chapter-5-People-and-the-built-environment.pdf (07.09.2020).

Oxfam Deutschland (2019): UN-Weltklimakonferenz in Madrid. Klimakrise zwingt jährlich 20 Millionen Menschen zur Flucht. https://www.oxfam.de/presse/pressemitteilungen/2019-12-02-klimakrise-zwingt-jaehrlich-20-millionen-menschen-flucht (07.09.2020).

Dominic Roser, D. & Seidel, C. (2015): Ethik des Klimawandels. wbg Academic.

Thomas, R. (2014): Sea level threat to force retreat of communities in Wales. https://www.bbc.com/news/uk-wales-26125479 (07.09.2020).

Welthungerhilfe (2020): Klimaflüchtlinge – Was hat Klimawandel mit Flucht zu tun?. https://www.welthungerhilfe.de/informieren/themen/klimawandel/klimafluechtlinge-klimawandel-und-migration/ (07.09.2020).