Zum didaktischen Ansatz der Lösungsorientierung

Die für die Oberstufe entwickelte lösungsorientierte Geographiedidaktik nach Hoffmann (2018a,b; 2021) geht bei einer Unterrichtsreihe nicht vom Problem aus, sondern von der Lösung, um dann kritisch zu fragen, welche Probleme diese löst und ob sie dies hinreichend tut. Erst im Anschluss wird der Problemkomplex genauer erörtert.  Abschließend wird nach weiteren und ggf. besseren Lösungsbeispielen gesucht. Im Folgenden wird eine ausgearbeitete Einstiegsdoppelstunde in der es um Zukunftsvorstellungen und Lösungsansätze geht, die sowohl lokal als auch global perspektiviert sind, als Beispiel für die Mittelstufe gezeigt.

Unterrichtsdurchführung „Die Stadt der Zukunft denken“

Hinführende Arbeitsphase

Hinführende Aufgaben

1. a) Beschreibe das Bild

b) Besprich im Plenum, inwiefern dieses Bild eine Aspekt von „Zukunft von Städten“ enthält.

Arbeitsaufträge zum Gedankenexperiment (Vorschlag zur Sozialform: Partnerarbeit)

Das Gedankenexperiment ist eine Methode, die aus der Philosophie- und Ethikdidaktik stammt und dort bereits in der Primarstufe und der SeK I. eingesetzt wird. Gedankenexperimente (Laub & Ulrich-Riedhammer 2022) können gängige Sichtweisen oder einfach übernommene Wissensvorstellungen überprüfen. Es geht darum, einen anderen Blick auf das schon Bekannte zu bekommen und der Phantasie freien Lauf zu lassen. Denn alles ist möglich und erlaubt zu denken in Bezug auf die Frage: Wie sieht deine Stadt der Zukunft aus? Zugleich schärft dies aber den Blick auf die reale Welt mit der Frage: Welche Städte wollen wir in Zukunft?

2. Stell dir vor, es gibt eine Zwillingserde, die unserer Erde in allem gleicht, nur deine Stadt ist noch nicht gebaut. Nun wirst du gefragt, ob du dort deine Stadt bauen willst:

  • Wie würde sie aussehen, deine Stadt der Zukunft? Beschreibe sie oder zeichne eine Antwort auf die Frage in die Vorlage ein. Folgende Elemente sollen zumindest einmal vorkommen: Wohnhaus, Fabrik/Industrie, Schule, Geschäft, Grünfläche, Straße und Radweg
  • Überlege dir, wie diese Elemente angeordnet sind (Was steht im Zentrum? Was liegt am Rand der Stadt? Welchen Raum nimmt das Element im Vergleich zu den anderen Elementen ein? Was dominiert in der Stadt?)
  • Ergänzender Hinweis: Denke daran, Städte können in die Höhe und in die Breite wachsen! In einem Gedankenexperiment ist alles erlaubt, du kannst deiner Phantasie freien Lauf lassen. Bäume dürfen auf Straßen wachsen, Fabriken auf Bäume stehen usw.

3. a) Stellt eure Ergebnisse in der Klasse vor.

b)  Welche Rückschlüsse lassen sich aus euren Ergebnissen ziehen für die Stadt, in der ihr selbst lebt  oder in der ihr euch häufig aufhaltet, z.B. beim Schulbesuch, zum Einkaufen usw.? Wie sollte diese Stadt sich entwickeln?

Arbeitsmaterial zum Gedankenexperiment

Erarbeitungsphase I: Zwei Beispiele für nachhaltige Entwicklungen in der Stadt

Im Anschluss an die erste Unterrichtsphase werden zwei ermutigenden Fallbeispiel mit Hilfe eines Videos genauer betrachtet.

  • Der „CopenHill“ wird als erstes Beispiel gewählt, da es in seiner gigantischen Umsetzung beeindruckt, neugierig macht und zugleich den Versuch zeigt, die Komplexität der Nachhaltigkeit in einem Gebäude zu kombinieren. Zudem entspricht es der aktuellen Entwicklung, Städte auf ihren Dächern nachhaltiger zu gestalten bzw. ihre Resilienz zu fördern (Ambrosini & Callegari 2021). Gleichzeitig sind auch hier kritische Nachfragen möglich, wenn es darum geht zu klären, inwieweit der Bau des Gebäudes nachhaltig war oder die Ermutigung zum Skifahren in der Stadt sinnvoll ist.
  • Als zweites Beispiel werden die Schafe auf einem Dach im Werksviertel in München gezeigt und auch hier wird gefragt, inwiefern diese Praktik eine nachhaltige Lösung ist.

Abschließend werden die Beispiele auf die Ziele für Nachhaltige Entwicklung (die SDGs) aus der Agenda 2030 als Zukunftsvorstellung der Weltgesellschaft angewendet.

Videobetrachtung: zwei Beispiele für nachhaltige Entwicklungen auf dem Dach werden betrachtet

1. Teilt die Klasse in zwei Hälften A und B.

2. Notiert während der Videos Stichpunkte zum Thema „Nachhaltige Stadtentwicklung“. Teil A für Video A und Teil B für Video B.

Leitfragen zur Videobetrachtung

a. Aufgrund welcher Kombination hat der Copenhill den Nachhaltigkeitspreis gewonnen?

b. Warum gilt Kopenhagen als eine der umweltfreundlichsten Städte?

c. Warum ist der CopenHill für die Menschen in der Stadt gut?

 d. Was erfährst du über Kopenhagen als „Stadt der kurzen Wege“?

Leitfragen zur Videobetrachtung

a. Anhand welche Fachbegriffe wird der Ansatz erklärt? Notiere diese!

b. Warum ist das Dach mit den Schafen nachhaltig?

c. Was haben die Schafe für eine Funktion?

d. Welche weiteren Beispiele für Nachhaltigkeitsgestaltung auf den Dächern werden genannt?

Sicherung der Ergebnisse: Anschließend werden die Ergebnisse der Schüler*innen unter folgender Leitfrage vorgestellt und gemeinsam gesichert: Warum sind die Beispiele erfolgreiche Beispiele für eine Nachhaltige Entwicklung? Die Sicherung erfolgt inenrhalb als Begriffsnetzes (s. Lösungsvorschlag; vgl. Concept-Mapping, Förderung des systemischen Denkens).

Aspekte einer nachhaltigen Stadtentwicklung – die zwei Lösungsansätze CopenHill und Werksviertel München

Kritische Nachfragen zu den Lösungsansätzen:

a. Formuliert in Partnerarbeit kritische Nachfragen an eines der Beispiele.

b. Besprecht die Kritikpunkte gemeinsam im Plenum.

c. Beurteilt, welches Beispiel ihr in eure Stadt der Zukunft integrieren würdet.

d. „Nachhaltigkeit muss Spaß machen!“ (Statement des Architektenbüros von CopenHilll. Diskutiert diese Aussage.

Ausweitung: Integration der SDGs

Die Vereinten Nationen haben 2015 in der sogenannten Agenda 2030 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) vereinbart. Viele Ländern der Welt orientieren sich an diesen Zielen. Die Bundesregierung orientiert sich an diesen Zielen sowie eine wachsende Zahl deutscher Städte und Gemeinden. Ziel ist es, einen Beitrag zur Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Aufgaben

1. Nennt mit Blick auf die in den Videos dargestellten Lösungsansätze Ziele aus den SDGs, die die Lösungsansätze erreichen wollen.

2. Erklärt am Beispiel, wie diese und weitere Ziele der SDGs miteinander verbunden sind.

3. Integriert die genannten Ziele in euere Begriffsnetz.

Erarbeitungsphase II: Und ich – was kann ich tun?

In der zweiten Erarbeitungsphase wird gefragt, was man lokal tun kann. Diese Phase ist produktionsorientiert. Ziel der Arbeitsphase ist, dass Schüler*innen jenseits von großen Projekten, die nicht innerhalb ihrer Handlungsmöglichkeiten liegen, zu eigenn „kleinen“ Lösungen kommen.

Mit „Urban-Gardening“ wird eine Bewegung bezeichnet, die aus den USA stammt. In Baulücken, an Bahnhöfen, auf Dächern und Mittelstreifen von Städten entstehen kleine Gärten, in denen Blumen oder Gemüse wachsen. Oft sind die Flächen versiegelt, dann werden in Kübeln oder Kisten die Pflanzen hochgezogen. Sie können, wenn es nötig ist, auch umziehen. Die Auswahl der Pflanzen ist unterschiedlich, je nachdem werden Dinge angebaut, die geerntet werden können, oder Pflanzen, die besonders bienen- oder artenfreundlich sind. Es gibt die verrücktesten Orte.

Arbeitsauftrag:

1. Such dir einen „verrückten Ort“ aus und lass dort Wildblumen wachsen oder dich auf die Suche in deiner Stadt nach Blühstreifen für Bienen oder Urban Gardening Projekten und mache ein Foto davon.

2. Erstellt eine Plakatwand mit euren Bildern.

3. Diskutiert, inwiefern die Projekte erfolgreich sind mit Blick auf die Ziele (vgl. auch SGDs), die sie erreichen wollen.

Unterrichtsmaterial: Eva-Marie Ulrich-Riedhammer (2022)

Bilder: Eva-Marie Ulrich-Riedhammer (2022) & Schutterstock (415964887)

Literatur:

Ambrosini, G. & Callegari, G. (2021). Roofscape Design. Regenerating the City upon the City. Berlin: jovis.

Hoffmann, T. (2018a). TERRA Globale Herausforderungen 1. Die Zukunft, die wir wollen. Stuttgart: Klett.

Hoffmann, T. (2018b). Gerüstet für die Zukunft. Aufgaben des Geographieunterrichts. Praxis Geographie 1, 4-9.

Hoffmann, T. (2021). Globale Herausforderungen und SDGs – ein strikt lösungsorientierter Unterrichtsansatz. In A. Eberth & C. Meyer (Hg.), Didaktische Ansätze und Bildungsangebote zu den Sustainable Development Goals. (Hannoversche Materialien zur Didaktik der Geographie, Band 11, S. 33-41). Hannover. 

Laub, J. & Ulrich-Riedhammer, E.M. (2022). Philosophieren im Geographieunterricht. In E. Nöthen & V. Schreiber (Hg.), Transformative Geographische Bildung. Wiesbaden: Springer Spektrum (im Erscheinen).