Lösungsorientierte Didaktik
Die für die Oberstufe entwickelte lösungsorientierte Geographiedidaktik nach Hoffmann (2018a,b; 2021) geht bei einer Unterrichtsreihe nicht vom Problem aus, sondern von der Lösung, um dann kritisch zu fragen, welche Probleme diese löst und ob sie dies hinreichend tut. Erst im Anschluss wird der Problemkomplex genauer erörtert. Abschließend wird nach weiteren und ggf. besseren Lösungsbeispielen gesucht. Im Folgenden wird eine ausgearbeitete Doppelstunde vorgestellt, in der es um Zukunftsvorstellungen und zwei Lösungsansätze geht, zum Einsatz in der Mittelstufe.
In der vorgeschlagenen Doppelstunde geht es darum wichtige Nachhaltigkeitsstrategien für die Entwicklung von Städten oder Stadtvierteln in den Blick zu nehmen und zu überlegen, wie sich verschiedene Bereiche einer nachhaltigen Stadtentwicklung wechselseitig ergänzen. Es werden Aspekte aus den beiden vorherigen Doppelstunden nun an Beispielen zusammengeführt, indem gefragt wird, auf welche Probleme diese Lösungen nun eine Antwort bieten. Es geht um eine Metareflexion von Nachhaltigkeit: Was heißt eigentlich nachhaltig? Wie ergänzen sich Suffizienz, Effizienz und Konsistenz? Wie ist in ethischer Hinsicht abzuwägen und was sind die ethischen Kriterien? Eingebettet wird dieses übergeordnete Fragen in die Reflexion verscheidener (Teil-)Lösungsstrategien, um immer wieder deutlich zu machen, was schon getan wird und um positive Impulse zu setzen. Die Lösungen sind dabei auf zwei verschiedenen Ebenen angesiedelt. Einerseits werden Zukunftsideen auf globaler Ebene betrachtet und damit der politische Bereich, zum anderen werden erneut konkrete Maßnahmen von verschiedenen Akteuren (Unternehmen, Konsumenten) auf unterschiedlichen Maßstabsebenen (global, lokal) betrachtet, die von den Schüler*innen faktisch und ethisch hinterfragt werden, zum einen in Bezug auf ihre Reichweite und zum anderen in Bezug auf ihre Auswirkungen in anderen Teilen der Welt. Es geht darum, kritisches Denken und Urteilskompetenz zu entwickeln.
Hinführende Arbeitsphase

Arbeitsaufträge
1. Betrachtet den Screenshot und klärt euch unbekannte Begriffe (z. B. soziale Gerechtigkeit, Mobilität). Tauscht euch über diese aus und notiert in Stichpunkten deren Bedeutung.
2. Erklärt, welche der genannten Felder für euch zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung gehören und begründet, warum.
3. Sucht euch einen Bereich heraus (z. B. Teilhabe, Mobilität, Natürliche Gemeinschaftsgüter) und überlegt, wie in diesem Bereich in einer Stadt für Nachhaltigkeit gesorgt werden kann.
Erarbeitungsphase I: Metareflexion „Nachhaltigkeit“
In der Erarbeitungsphase I werden verschiedene Beispiele hinsichtlich der Qualität ihrer Nachhaltigkeit bewertet; dies erfolgt auf Grundlage der Kriterien Effizienz, Konsistenz und Suffizienz, wie sie im folgenden Nachhaltigkeitsdreieck abgebildet sind – die Abbildung findet sich im Heft „Saubere Meere“ aus dem Projekt „The Future We Want“

- Effizienz: Sie zielt auf eine ergiebigere Nutzung von Materie und Energie, also auf Produktivität von Ressourcen. Es wird das Beste aus etwas herausgeholt.
- Konsistenz: Sie zielt auf naturverträgliche Technologien, die die Leistungen der Ökosysteme nutzen, sie aber nicht zerstören. Bekannte Dinge sollen so anders genutzt werden.
- Suffizienz: Sie zielt auf einen geringeren Ressourcenverbrauch durch eine Verringerung der Nutzung von Ressourcen. Weniger ist mehr, ist der Leitspruch.

Bosco Verticale, Mailand; Die Idee, Fassaden zu begrünen, verbreitet sich immer weiter. Mailand ist nur ein Beispiel unter vielen anderen (z.B. auch in Mexio-City). Die Häuser folgen der Konsistenz, einer Nachhaltigkeitsstrategie, die sagt, die Dinge können anders genutzt werden.

Tiny House-Bewegung: Viele Leute steigen auf Tiny-Häuser um, eine Bewegung aus den USA. Das sind Häuser, die mit sehr wenig Platz (tiny = klein), eher im Sinne von ausgebauten Bauwagen, auskommen. Zum Teil sind diese auch mobil. In den Häusern ist alles vorhanden, was man zum Wohnen braucht, allerdings reduziert, d.h. die Menschen haben auch weniger Gegenstände in ihrem Haus und leben nach einem minimalen Prinzip. In einigen deutschen Städten werden schon Tiny-House-Flächen ausgeschrieben. Dies folgt der Suffizienz, eine Nachhaltigkeitsstrategie die sagt: „“Weniger ist mehr!“

Effizienzhäuser sind durch eine besonders energieeffiziente Bauweise gekennzeichnet. Sie besitzen eine höhere Energieeffizienz erreichen als vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Die Messung der Effizienz wird anhand des Wärmeverlusts durch die Gebäudehülle wie Dämmung und Fenster und den Energiebedarf des Hauses berechnet. Sie folgen der Nachhaltigkeitsstrategie der Effizienz, etwas vorhandenes besser, effektiver nutzen.
Arbeitsaufträge
1. Beschreibt eure ersten Eindrücke von diesen Lösungsansätzen.
2. Erklärt die Nachhaltigkeitsstrategien der Suffizienz, Effizienz, Konsistenz an den Beispielen.
3. Ordnet das Algenhaus in Hamburg einer Strategie zu.
4. Begründet, auf welche Nachhaltigkeitsziele (SGDs) hier abgezielt wird.

5. Inwiefern ist das Haus aus dem 3-D-Drucker nachhaltig? Erkläre, welche weiteren Informationen du benötigst, um das zu beurteilen.
6. Weiterführender Arbeitsauftrag: Überlegt, welche Ansätze kombiniert werden können und entwerft einen eigenen Vorschlag.

Algenhaus in Hamburg, das erste Haus mit einer Algenbioreaktorfassade Die Glaswand, in der Algenwachsen, erzeugt Wärme und bindet auch das Treibhausgas CO2.

Ein 3-Drucker druckt aus flüssigem Beton ein Einfamilienhaus in den USA. Erste Häuser sind auch schon in Deutschland gebaut und bezogen worden, wie etwa ein Mehrfamilienhaus in Wallenhausen im Landkreis Neu-Ulm.
Erarbeitungsphase II: Der Prinzip- Eugen-Park in München – eine Mustersiedlung als Beispiel für eine Kombination verschiedener Nachhaltigkeitsaspekte?
In der Erarbeitungsphase II bewerten die Schüler*innen ein als nachhaltige Mustersiedlung gehandeltes Beispiel – den Prinz Eugen-Park in München:

1. Erkläre, was du aus diesem Screenshot bereits für Informationen in Hinblick auf den Lösungsansatz und Nachhaltigkeitsaspekte bzw. -strategien in Erfahrung bringen kannst.
2. Formuliere Fragen an die Themen „Mobilität“ und „Ökologie“
Arbeitsaufträge
1. Notiere dir die Überschriften „Ökologie“, „Mobilität“, „Räume“, „Entstehung des Quartiers“ und „Nachbarschaft“ in dein Heft.
2. Notiere dir während des Films Stichpunkte zu den Überschriften.
3. Erkläre, wie die Punkte miteinander zusammenhängen und kennzeichne die mit Linien.
4. Beurteile, welche der drei Nachhaltigkeitsstrategien und welche Aspekte der Nachhaltigkeit (Natur, Mensch, Wirtschaft) umgesetzt werden, auch mit Blick auf folgende Feststellung: „40% des weltweiten CO2-Ausstoßes entstehen beim Bauen“.
5. Betrachte deine Fragen aus Aufgabe 4b erneut und überlege, ob du Antworten gefunden hast.
6. Formuliere kritische Nachfragen auch mit Blick darauf, was der Film für eine Absicht hat.
Transfer: Lösungen weltweit beurteilen: Masdar City
Masdar City – Die erste Öko-Stadt der Welt
Masdas City ist ein im Bau befindliches Projekt in Abu Dhabi – mitten in der Wüste, ein Vorzeigeprojekt des Emirats. Die Stadt soll weltweit als erste ohne CO2-Emissionen funktionieren, Autos sind nicht erlaubt. Das als „CO2-neutrale Wissenschaftsstadt“ gehandelte Projekt ist stark umstritten.
1. Recherchiert in Gruppen zu drei bis vier Personen nach Informationen zu Masdas City, die Auskunft geben über Arbeitsstand, Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen und Kritikpunkten am Projekt.
2. Sammelt die Ergebnisse eurer Recherchen auf einem Stichwortzettel, wählt drei euch besonders wichtig erscheinende Aspekte aus und stellt sie der gesamten Klasse vor.
3. Diskutiert die Frage, ob ihr Masdar City für ein nach Maßgabe der Nachhaltigkeitsziele (SDGs) sinnvolle Projekt haltet.

Windturm und Wohngebäude: Der Windturm sorgt dafür, das kühlere Luft von höheren Luftschichten nach unten geleitet wird. Die Wohngebäude sind erhöht gebaut, damit sie ebenfalls kühler werden. Zudem sorgt ihre Bauweise auch für Kühlung im Inneren.

Die Energie der Stadt soll nur aus regenerativen Energien gedeckt, v.a. Solarenergie. Zudem sollen die Gebäude so gesteuert, dass sie ihren Energiebedarf gezielt senken können.
Was im Kleinen beginnt: Jugend forscht 2021 – Wie ein Schüler eine nachhaltige Stadt plant

Nicolas vom Scheidt ist gerade mal 14 Jahre alt und mit seiner „Interaktiven Stadtplanung“ 2021 erfolgreich beim Wettbewerb „Jugend forscht“ angetreten, um so etwas gegen den Klimawandel zu tun. Er hat eine Software entwickelt, die es möglich macht, interaktiv eine Stadt zu planen und ihre Klimabilanz zu erforschen. Angeregt wurde er durch das Computerspiel Minecraft.

Arbeitsaufträge
Stell dir vor, du hast die Chance, die Software zu erweitern bzw. an den Schüler zu schreiben. Dafür musst du Parameter (= Größen, Aspekte) angeben, die bei einer nachhaltigen Stadt zu berücksichtigen sind. Du kannst Parameter in die Tabelle einfügen, die berücksichtigt werden sollen, um Ansprüchen an einer nachhaltigen Stadt im Ganzen zu genügen.

1. Ergänze die Tabelle mit Blick auf die letzten Stunden: Horizontal, die Ziele (z.B. SDGs, Nachhaltigkeitsaspekte), die erreicht werden sollen und vertikal, wie diese erreicht werden können.
2. Gewichte alle Punkte mit Zahlen von I-III: I wichtig, II sehr wichtig, III besonders wichtig.
3. Begründe, inwiefern eine Kombination von Zielen und Maßnahmen besser ist, als eine Abwägung zwischen den Zielen.
4. Markiere Bereiche, in denen du dich einbringen kannst.
5. Blicke zurück auf deine Stadt der Zukunft und verändere dein Bild mit Blick auf das, was dich in den Stunden überzeugt und angesprochen hat.
Text & Unterrichtsmaterial: Marie Ulrich-Riedhammer (2023)
Bilder: Shutterstock
Arbeitsmaterialien zum Download: