Zunahme von Klimaklagen weltweit
Seit einiger Zeit werden Klimaklagen von Privatpersonen und Nichtregierungsorganisationen konkreter und sie werden auch erfolgreicher. Das BVerfG hat in einem Urteil den Beschwerdeführern teilweise recht gegeben und damit nach Ansicht vieler Rechtsexperten eine Meilenstein-Entscheidung getroffen, indem es der Freiheit zu fliegen, Wald zu roden, generell unbeschränkt Energie zu konsumieren Grenzen gesetzt hat, weil damit die Freiheitsrechte künftiger Generationen beschränkt werden.
In der ganzen Welt wächst der Druck auf Staaten, die dem Klimawandel zu wenig Beachtung schenken oder sogar leugnen. Zunehmend kommen hierbei auch die nationalen und internationalen Gerichte zum Zuge. Nun wurde erstmalig ein Staatschef vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) verklagt. NGOs werfen dem brasilianischen Präsidenten Bolsonaro vor, sich durch ungehemmte Vernichtung der Regenwälder in Brasilien eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit schuldig zu machen.
aus: Haufe (2021). Strafanzeige gegen Brasiliens Staatschef Bolsonaro beim IStGH
Greenpeace-Deutschland hat mit dem Stand von 2018 alle Fälle weltweit gelistet, in denen Einzelpersonen oder Nichtregierungsorganisationen gegen Staaten oder Firmen klagen: Greenpeace-Factsheet Klimaklagen. Auf Wikipedia ist eine eigene Seite eingerichtet, die die Gerichtsverfahren sammelt nach Ländern, sie nach Arten der Klagen und Gegenstandsbereichen kategorisiert: Gerichtsverfahren zum Klimawandel.
Arten von Klimaklagen (vgl. Gerichtsverfahren zum Klimawandel)
- Gerichtsverfahren mit dem Ziel, den Inhalt oder die Anwendung neuer oder bestehender Gesetze zu verändern: In jüngerer Vergangenheit ist die Anzahl, die Genauigkeit und die Bedeutung von Gesetzen, welche auf Sachverhalte im Zusammenhang zum Klimawandel bezogen werden können, gewachsen. Es entstehen neue Rechte und neue Pflichten.
- Gerichtsverfahren mit dem Ziel, Druck auf Gesetzgeber sowie politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger auszuüben: Kläger versuchen in Gerichtsverfahren zu erreichen, dass Lösungsansätze für den Klimawandel ambitionierter und umfassender werden.
- Gerichtsverfahren mit dem Ziel, vermeintliche oder tatsächliche Lücken zu schließen, welche durch gesetzgeberische und regulatorische Untätigkeit entstanden sind.
Unterrichtliche Relevanz
Thematisiert man im Unterricht Fragen des Klimawandels auf der Ebene der Rechte, kann man damit die Verknüpfung von individuellen oder speziellen subjektiven Rechten, d. h. Rechten, die ein spezielles Subjekt hat und generellen subjektiven Rechten, d. h. Rechten, die alle Subjekte haben (vgl. Tugendhat 1993), mit den Schüler*innen bearbeiten. Moralischen Pflichten stehen bekanntermaßen moralische Rechte gegenüber. Nicht alle moralischen Rechte aber sind starke Rechte in dem Sinne, als dass sie innerhalb eines Staates auch legal abgesichert sind. Genau darum geht es bei den Klagen. Die Einforderung von moralischen Rechten von Menschen, die gegenwärtig und/oder in der Zukunft wegen Folgen des Klimawandels leiden, richtet sich an Gesetzgeber und politische Entscheidungsträger: Diese sollen die gegebenen Gesetze dahingehend prüfen, ob sie mit den grundlegenden oder zentralen Rechtsdokumenten eines Staates übereinstimmen. Zum einen lassen sich damit der moralische Kern von freiheitlich-demokratischen Verfassungen herausstellen, zum anderen Möglichkeiten der bürgerschaftlichen Beteiligung an der Gesellschaftsentwicklung thematisieren. Damit kann auch deutlich gemacht werden, wie wichtig das Engagement von Jugendlichen ist, die vor dem Hintergrund der Zukunftsentwicklung ihre Rechte einfordern (vgl. Physiknobelpreisträger Klaus Hasselmann zum Engagement der Jugend bei Fridays for Future).
Text: Stefan Applis (2021)
Bild: Stefan Applis (2019)
Leseempfehlungen:
Deutsche Welle (Hrsg.) (2021). Klimakrise: Jugendliche aus Portugal verklagen Europa. Online verfügbar unter: https://www.dw.com/de/klimakrise-jugendliche-aus-portugal-verklagen-europa/av-57464998
Peggy Fiebig (2021). Klagen für das Klima. Wie mehr Klimaschutz vor Gericht erstritten werden soll. Deutschlandfunk. Online verfügbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/klagen-fuer-das-klima-wie-mehr-klimaschutz-vor-gericht.724.de.html?dram:article_id=493002
Haufe (Hrsg.) (2021). Strafanzeige gegen Brasiliens Staatschef Bolsonaro beim IStGH. Online verfügbar unter: https://www.haufe.de/recht/weitere-rechtsgebiete/strafrecht-oeffentl-recht/egmr-nimmt-klimaklage-gegen-deutschland-und-32-weitere-staaten-an_204_531754.html
Thomas Hummel (2021). „So etwas gab es bisher nicht“. Sechs Kinder und Jugendliche aus Portugal verklagen 33 europäische Staaten vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf mehr Klimaschutz – bislang mit erstaunlichem Erfolg.. Online verfügbar unter: https://www.sueddeutsche.de/politik/klimawandel-portugal-jugendliche-klage-1.524595
Ann-Katrin Steger (2021). Klima und Menschenrechte: Vier spannende Klagen, die man im Auge behalten sollte. Nürnberger Menschenrechtszentrum. Online verfügbar unter: https://www.menschenrechte.org/blog/klima-und-menschenrechte-vier-spannende-klagen-die-man-im-auge-behalten-sollte-teil-i/
Ernst Tugendhat (1993). Vorlesungen über Ethik. Suhrkamp. Kurze Einführung über https://www.information-philosophie.de/?a=1&t=4737&n=2&y=1&c=50 verfügbar.