Das Problem des Films
Dieser Film war die Weihnachtsüberraschung, die jedoch – wenig überraschend (kein Wort zum üblichen Weihnachtsprogramm!) – nicht auf den regulären TV-Kanälen, sondern auf dem privaten Onlinestreamingdienst Netflix zu finden war (und dort immer noch zu finden ist). Der Regisseur Adam McKay ist bereits in der Vergangenheit mit politischen und gesellschaftskritischen Filmen wie etwa The Big Short (2015) oder Vice – der zweite Mann (2018) auf eine ambitionierte Weise in Erscheinung getreten, wobei er jederzeit ernste Themen (wie halblegale Praktiken der Wallstreet oder die Politik im Weißen Haus) mit formal anspruchsvollen, z.T. auch humorvollen filmischen Mitteln verbindet. Hieraus ergibt sich der zugespitzte, satirische bis sarkastische Stil von McKay, der insbesondere auch seinen jüngsten Film Don’t Look Up prägt. Bei diesem zweieinhalbstündigen Hollywoodspektakel mit absoluter Starbesetzung[1] handelt es sich nach zahlreichen Rezensionen um eine echte Farce, die den Umgang der US-amerikanischen Gesellschaft (oder der Menschheit) mit wissenschaftlicher Erkenntnis auf die Schippe nimmt – diese Kritik ist in vielerlei thematischen Hinsichten anschlussfähig, indem sie auf die aktuelle Pandemie oder die immer verschärftere Klimakrise hin zu deuten ist. Das konkrete Problem im Film von McKay wiederum besteht darin, dass ein riesiger Komet auf die Erde zurast und zwei Wissenschaftler*innen nach der Entdeckung des apokalyptischen Umstands immer wieder neu und anders – bis zum Schluss – daran scheitern, die Öffentlichkeit von dieser Tatsache, wodurch die ganze Gattung bedroht wird, zu überzeugen oder aber in der Regierung Reaktionen zu erzielen, die dem Ernst der Lage angemessen wären.
Der Clou des Films
Einerseits reiht sich McKay mit Don’t Look Up in eine lange Tradition von Katastrophenfilmen ein. Das ikonische Modell dürfte Deep Impact von Mimi Leder aus dem Jahre 1998 sein. Anders als der typische Hollywood-Blockbuster setzt McKay aber nicht auf die Situation nach der Katastrophe (die häufig zu einer Leistungsschau der Special Effects genutzt wird), sondern inszeniert in seinem Film mit Überlänge sehr überwiegend den anhaltenden Countdown bis zum Einschlag – also die Situation vor der Katastrophe. Mit dem Zeitpunkt der Entdeckung des Kometen bleiben noch gut sechs Monate, die im weiteren Verlauf die erzählte Zeit ausmachen. Der zunächst nur aufgrund von Berechnungen als abstrakte Repräsentation auf Bildschirmen sichtbare Komet durchläuft also viele Stufen seiner visuellen Konkretisierung, so dass eine zentrale Szene des Films (ab 01:35:16) den Moment ausführlich würdigt, in welchem der Komet sichtbar in die Atmosphäre der Erde eingedrungen ist – und für kurze Zeit die Illusion entsteht, dass diese neue empirische Situation etwas an der prekären Verdrängung seitens der Menschen ändern könnte.
Der Clou des Films besteht also darin, dass die nicht vermeidbare Katastrophe allegorisch über den Köpfen der Menschen schwebt, sich ihnen rasend nähert und damit die beschleunigte Zuspitzung erfährt, die konsequent verdrängt wird. Inhaltlich ist die filmische Allegorie in ihrer fortwährend konkreter werdenden Abstraktheit mit dem Prinzip des Exponentiellen zu assoziieren, sei es mit Bezug auf Infektionen mittels des Covid-Virus, sei es im Sinne der Erderwärmung und der mit ihr verbundenen Kipppunkte. Formal ist das im Film dargestellte Szenario sehr reizvoll, da der Komet in seiner Visualität jederzeit die Katastrophe als Bild vorführt (vgl. Trempler 2013). Das Bild greift zum einen die Erhabenheit der »blue marble« auf[2] und spielt zum anderen mit der Auslöschung dieses Planeten Erde aufgrund der Trivialität des kontingenten astrophysikalischen Ereignisses.[3] Damit steht die Allegorie quer zu Sars-CoV-2 oder der Klimakatastrophe, weil das bloße Faktum des Zusammenpralls nicht durch die Menschen beeinflusst werden könnte, deren Auslöschung es gleichwohl bedeutet. In dieser Differenz nimmt McKay den didaktischen Anspruch seines Films durchaus etwas zurück, da eine Unausweichlichkeit kaum durch Engagement zu verhindern ist. Der Einschlag des Meteoriten ist hingegen ein Ereignis, das von Überlegungen zum Anthropozän[4] im engeren Sinne unabhängig ist, und eher den Topos der Zukunft als Katastrophe (vgl. Horn 2014) auf zugespitzte Weise anschaulich werden lässt.[5]
Didaktische Überlegungen zu dem Film
Anders als bei der Klimakatastrophe ist der Film von McKay also vor allem ein vorerst noch kontrafaktisches Gedanken- und Wahrnehmungsexperiment.[6] Gerade die Differenz zur Thematik des Klimas, die sich nicht eindeutig entschlüsseln lässt, macht den allegorischen Gehalt des Films heuristisch interessant. McKay ist (s.o.) nicht didaktisch in dem Sinne, dass er allen zeigt, was zu tun wäre. Gleichwohl ist aber seine satirische bis sarkastische Inszenierung der politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit gewiss nicht ohne einen kritischen Fingerzeig. Im Anschluss an die aufklärerische Geste McKays und darüber hinaus sollen im Folgenden fünf in erster Linie ethik-didaktische Ideen skizziert werden, die zugleich auch für den Geographieunterricht von Relevanz sein können. Ich klammere technische und rechtliche Überlegungen zur Präsentation des Films im Unterricht aus.[7] Zudem weisen die Ideen einen diskursiven Schwerpunkt auf, der unbedingt um gezielte formale Betrachtungen filmischer Mittel (beispielhafte Analyse der Ton- und Bildspur, Interpretation einzelner Stills in Form von Screenshots[8], spezielle Mittel für Satire/Sarkasmus etc.) ergänzt werden sollte, um der wahrnehmbaren Medialität des Films, seinem präsentativen Gehalt, – etwa im Vergleich mit lesbaren Texten[9] – schließlich gerecht werden zu können.
McKays Überzeichnung der Protagonist*innen – Vergleiche mit dem Personal der Gegenwart
Wie verhalten sich die wichtigsten Protagonist*innen im Film? In seiner Farce inszeniert McKay sechs gesellschaftlich relevante Menschengruppen, deren jeweiliger Habitus zuerst genauer in den Blick genommen werden soll, um anschließend erörtert und beurteilt werden zu können.
- Wissenschaftler*innen:
Nach der unerwarteten Entdeckung des Kometen durch die Doktorandin Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence) reist diese mit ihrem Betreuer Prof. Mindy (Leonardo DiCaprio) aus der Provinz nach Washington, um die Präsidentin aufzuklären und bei ihrem Handeln wissenschaftlich zu beraten. Beide haben sehr große Probleme, den Politiker*innen (später Angestellten der Massenmedien; s.u.) den objektiven Sachverhalt so zu kommunizieren, dass er von der Regierung in seiner ganzen Ernsthaftigkeit erfasst wird (ab 0:18:00).
- Politiker*innen:
Die leicht überdrehte, eher republikanische Präsidentin (Meryl Streep) und ihr Stab (u.a. in Person ihres Sohnes; Jonah Hill) sind so in ihrer Kampagne, den Umfragen etc. gefangen, dass sie niemals ohne den Gedanken an eigene Vor- oder Nachteile für den Sachverhalt empfänglich sind. Erst als der Kampf gegen den Kometen auch Wählerstimmen verspricht, akzeptieren sie seine dringliche Notwendigkeit. Die Loyalität bricht aber kurz darauf durch ökonomische Einflussnahme und politisches Kalkül wieder in sich zusammen (ab 1:08:36).
- Industrielle:
Die ökonomische Einflussnahme wird vor allem durch einen Konzernchef (Mark Rylance) geleistet, der einen kurzen Draht ins Weiße Haus hat. Er repräsentiert die profitorientierte Einflussnahme der zukunftsträchtigen Tech-Industrie auf die Politik und ist eine Mischung aus Gurus der California Culture wie Jobbs, Branson, Zuckerberg oder Musk (ab 1:23:57). Der finanziell potente, auch esoterische, mitunter infantile Guru ist längst einflussreicher als die Militärs des Stabs um die Präsidentin, die lediglich korrupt und verwirrt sind oder aber in ihrer maskulinen Heldenhaftigkeit ganz besonders weiß und alt wirken (ab 1:02:10). Doch auch die Kompetenzen dieser Industrie sind begrenzt und führen nur zum Scheitern (das jedoch auch durch die Profitorientierung begünstigt wird).
- Massenmedien:
Zentral sind die narzisstischen Moderator*innen einer Nachrichtensendung (Cate Blanchett und Tyler Perry), die unseriös erscheint, vielmehr offenbar auf einer die Quote fördernden Emotionalisierung von Inhalten beruht. Beängstigende oder gar schockierende Nachrichten wie die des Kometeneinschlags sind also nicht Teil des Programms. Die Persönlichkeiten von Mindy und Dibiasky werden gnadenlos ausgeschlachtet (ab 0:32:20 bzw. 1:28:37). Der dem Glamour scheinbar nicht abgeneigte Professor wird als attraktiv gelabelt, die etwas nerdig wirkende Dibiasky wird ausgebootet (sie brauche „Medientraining“; 0:42:20) und flüchtet frustriert in die alternative Szene der Ostküste. Mehrfach werden neueste Trends auf Sozialen Medien karikiert (ab 0:42:50 bzw. 1:38:53).
- Popstars:
Das Popsternchen Riley Bina (Ariane Grande) hat einen kleinen und einen großen Auftritt. Zunächst prallt ein jeder ernste Hinweis an ihrer Lifestyle-Bubble ab, die gnadenlos in den Medien vermarktet wird, später wird die apokalyptische Bedrohung für einen schnulzigen Song instrumentalisiert (ab 0:32:20 bzw. 1:41:40).
- Bürger*innen:
Die Bevölkerung wird überwiegend und fast durchgängig nur auf zwei Weisen gezeigt: Erstens als äußerst doofe Produser*innen völlig sinnloser Trends in den Sozialen Medien und zweitens als Teilnehmer*innen bei politischen Veranstaltungen, die sehr krude einen Antagonismus mit dem Effekt brutaler Polarisierung pflegen (ab 1:38:53).
Speziell nach den letzten – vielleicht vor den nächsten – Trump-Jahren, aber auch unter Bezug auf viele zynische Lebensentwürfe von Politiker*innen (man denke hier nicht zuletzt an Alice Weidel), einem unbeholfenen Altkanzler auf Instagram, den immer neuen bodenlosen Weltverbesserungen durch Akteur*innen des Silicon Valley (vgl. Daub 2021[10]) oder dem zunehmenden Infotainment bzw. Politainment fällt es sehr schwer, den Film McKays ausschließlich und entlastend als Satire zu beurteilen. Er ist gewiss nicht frei von Humor, doch ist es dunkler Humor, dessen allegorische Kraft ernst wirkt. Gerade aus diesem Grund sollten mit Schüler*innen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Film und der westlichen Öffentlichkeit ergebnisoffen erörtert werden. Die Frage, wie schlimm es denn nun wirklich ist, kann nicht ganz frei von Spekulation bleiben, muss aber gestellt werden, um sich dem Film zu nähern. Es wäre wichtig, einzelne Personen oder Statusgruppen, ggf. gezielt in einzelnen Szenen (eventuell arbeitsteilig), analysieren und beurteilen zu lassen. Durch ein Close Reading schult man nicht nur eine genaue Analyse, sondern vermeidet man ebenso pauschale Deutungen und zu einseitige kulturkritische Urteile. Solche Probleme sind ebenso durch Sozialformen zu vermeiden, indem man z.B. eine Pro-und-Kontra-Debatte zwischen zwei Parteien zu einer vorher festgelegten, ethisch relevanten Problemfrage (Gibt der Film unsere Realität richtig wieder?; Überzeugen die im Film dargestellten Gründe des Handelns der/einer Figur/en?; Sind Nutzer*innen Sozialer Medien und ihr Einfluss im Film korrekt dargestellt? o.ä.) unabhängig von den individuellen Präferenzen durchführen lässt.
Der Komet als Leerstelle – Vergleiche mit den Bedrohungen unserer Gegenwart
Im Unterricht gestellt werden sollte auch die offene Frage nach dem Kometen selbst. Findet man sich nicht einfach (nur) mit der oben betonten Kontingenz ab, so ist der Komet offenkundig eine allegorische Leerstelle, die es im Transfer auf unsere Wirklichkeit zu deuten gilt. Inwiefern gleicht er aktuellen Katastrophen oder weicht von ihnen ab? Dabei ist es wichtig, vor allem Unterschiede herausarbeiten zu lassen wie (s.o.) u.a. die nicht-menschengemachte Zufälligkeit der Katastrophe oder die klar definierte Zeit bis zum Einschlag. Insbesondere der betonte Aspekt der Sichtbarkeit sollte dafür herangezogen werden. So ist es einerseits sehr schwierig für die Klimakrise treffende, aber nicht klischeehafte Bilder zu finden. Zugleich ist es bekannt, dass z.B. sämtliche Varianten des Covid-Virus unsichtbar sind und dass Corona-Leugner*innen selbst dann noch uneinsichtig sind, wenn sie beatmet werden müssen – im Film hingegen werden die Anhänger*innen der Partei der Kometenverleugnung so inszeniert, dass sie ihrer Wahrnehmung sofort trauen, als der Komet am Himmel zu erkennen ist (ab 1:47:16). In gewisser Hinsicht ist die gegenwärtige Wirklichkeit in dem Film sogar entschärft (vielleicht u.a. aus der rhetorischen Strategie heraus, ein größeres Publikum zu erreichen; s.u. den Schluss); sieht man vom Scheitern politischer und industrieller Bemühungen im Umgang mit dem Kometen ab, so ist diese Krise nicht menschengemacht (und die Reaktionen auf diese totale Bedrohung wirken vergleichsweise fast verständlich) und zeitlich überschaubarer, in ihrer Dauer besser einzuhegen (als etwa Pandemie oder Klimakrise). Und selbst das aggressive politische Ressentiment, das jeder Evidenz abschwört, ist im Film letztlich weniger krass als in so manchen Kontexten unserer Wirklichkeit. Ergänzt werden könnte diese kritische Reflexion in der Oberstufe u.a. auch durch geeignete Auszüge aus den zwei o.g. Büchern von Trempler und Horn, die ggf. zu einer bildhistorischen Einordnung oder zu einer populärkulturellen Kontextualisierung bzw. kulturwissenschaftlichen Propädeutik dienen könnten.
Zum Titel des Films – Don’t Look Up!
Ganz weit oben ist die erst nach und nach sichtbare Gefahr, der Komet – unten ist die scheinbar heile Welt. Diese Raummetapher macht sich der Film zu Nutze, indem nicht nur der bedrohliche Komet darin eingeordnet wird, sondern sich die skurrilen Figuren auf dem Erdboden anhand der Vertikalen positionieren. So ist es kein Zufall, dass in Zeiten politischer Polarisierung im Laufe des Films genau zwei Blöcke aus Parteien und ihren Anhänger*innen entstehen. Auf der einen Seite die, die ignorant der Parole »Don’t Look Up!« folgen, und auf der anderen Seite die Vertreter*innen eines aufklärerischen »Don’t Look Down!«. Nur vereinzelte Künstler*innen, die auf ein möglichst großes Publikum zielen, versuchen auf eine jämmerliche Weise das Unvereinbare zu ihren eigenen Gunsten zu vereinen (ab 1:40:28). Die Überspitzung McKays liegt hier darin, dass die elementare ästhetische Kategorie des Raumes, dessen gesamte Richtungen ein Individuum zu seiner eigenen Orientierung jederzeit benötigt, der politischen Polarisierung geopfert wird. Sieht man von jenem Unterschied der Sichtbarkeit (s.o.) ab, so weist diese Metaphorik aber sehr wohl eine Nähe zu der Klimakrise oder der Pandemie auf, zu zwei Szenarien, die ebenso nur durch eine hohe Abstraktion auf Kategorien des Raums (etwa Wirkungsweisen in der Atmosphäre oder Social Distancing) und der Zeit (z.B. Tipping Points oder zukünftige Modellierungen zum exponentiellen Wachstum etc.) verständlich und ggf. beherrschbar sind. Insofern können Bezüge auf den Filmtitel einerseits auch als Ergänzungen zu den oben bereits genauer erläuterten Vergleichen genutzt werden.
Zugleich ist das Don’t Look Up! Im Kontext des Films aber auch ein interessantes Motiv, das mit pädagogischen und ethischen Perspektiven zu verknüpfen ist. Als jemand, der noch in den 1980er aufgewachsen ist, kenne ich etwa die sprichwörtliche Figur des „Hans-Guck-in-die-Luft“[11], die zu meiner eigenen Erziehung in so manch verträumter Situation bemüht wurde. Weniger persönlich, dagegen mit mehr kulturellem Kapital behaftet ist wiederum die Anekdote um Thales, dem frühen Denker der vorsokratischen griechischen Antike, der in einen Brunnen fiel, während er sich mit dem Himmel beschäftigte und dafür den bissigen Spott einer Magd erntete.[12] In beiden Varianten soll eine träumende, sich gedanklich von der Erde entfernende Person pädagogisch nicht wenig autoritär auf den gesunden Menschenverstand und den naiven Realismus eingeschworen werden, weil alles andere ja ein Risiko sei und lediglich das eigene Unglück begünstige. Was bedeutet diese Haltung hingegen in Situationen, in denen der konkrete Blick vor die eigenen Füße nicht ausreicht, sondern mittels Wissenschaften oder Philosophie ein anderer, ein abstrakter Weltzugang gewählt werden sollte? Jene Form pädagogischer Autorität, der oft bemühte gesunde Menschenverstand, aber auch ein Affekt gegen Theorie[13], äußert sich in zahlreichen Fällen gerade nicht in progressiven politischen oder gesellschaftlichen Positionen – so ist es kein Zufall, dass der »Don’t Look Up!«-Fraktion in demFilm konservative bis reaktionäre Züge zugeschrieben werden.
Es wäre schön, wenn jene vertikale Metaphorik des Films bzw. diese metaphorischen Anekdoten in die Erörterung des Films mit einfließen würden. Die Abstraktion dieses didaktischen Anliegens wiederum wäre – je nach Unterrichtssituation – Schritt für Schritt zu steigern. So könnte man die Oben-Unten-Motivik mit einem Hinweis einführen, der Schüler*innen viel näher ist und im Film ebenso eine wichtige Rolle spielt – nämlich auf die Person, die jederzeit ihr Smartphone nutzt, einem „Smombie“.[14] Schließlich leben wir in modernen Zeiten, in denen längst nicht mehr – wie noch bei Thales – das Hinaufschauen, sondern paradoxerweise das Herunterblicken Risiken nach sich zieht, weil der Blick nicht mehr auf dem analogen Boden ankommt. Vorher landet er nämlich auf der digitalen Oberfläche – und der nächste Brunnen (oder die nächste Verkehrsteilnehmer*in) kommt gewiss! Im übertragenen Sinne und deutlich verkürzt sind also die, die immer nach unten schauen, die, die ihrem Smartphone – und so sinnbildlich auch allen mit einem Klick verfügbaren (Des-)Informationen – etwas zu viel Aufmerksamkeit schenken (ja, bis es irgendwann knallt).
Diskurs – Recherche und kritische Würdigung aktueller Rezensionen, Kommentare etc.
Philosophische oder kultur- bzw. bildwissenschaftliche Positionen wie die von Blumenberg und Horn bzw. Trempler in den Unterricht einzubauen, ist gewiss sehr anspruchsvoll und kann allein in seltenen Momenten gelingen. Worauf jedoch nicht verzichtet werde sollte, ist die Gelegenheit, Beiträge aus dem gegenwärtigen Diskurs zum Film Don’t Look Up zu berücksichtigen. Bei diesen Aufsätzen handelt es sich um pragmatische Textarten wie Rezensionen, Kommentare etc. die nicht ganz so komplex sind wie theoretische Essays und die auch von Schüler*innen selbst recherchiert werden könnten. Dadurch erhielten diese Einsichten in die journalistischen Kontexte der Premiere eines Films und sie stärkten ihre Grundkompetenzen im Umgang mit ihrer Medienwirklichkeit. Zu unterscheiden sind Filmkritiken, in denen vor allem die ästhetische Qualität des Blockbusters unter die Lupe genommen wird und Kommentare, worin der Film als ein cineastisches Ereignis im aktuellen Diskurs zu Krisen, Politik und Wissenschaft gewürdigt wird.
Die Filmkritiken sind einerseits eher abwertend, indem sie die klamaukartige Machart, die zudem in unnötiger Überlänge Einseitigkeiten präsentiere, in Frage stellen.[15] Dagegen gibt es zahlreiche Kommentare, die sich mit Blick auf die ökologische Situation auf der Erde mit der sarkastischen Kritik McKays solidarisch zeigen.[16] Die meisten der Verfasser*innen greifen zusätzlich gewichtige Stimmen von Wissenschaftler*innen zum Film auf, die sie aus Twitter und Co zitieren. Aus diesen Texten lassen sich zahlreiche ethische Fragestellungen zum Verhältnis zwischen Unterhaltung und ernsthaften Themen herleiten oder aber auch jene oder diese kritisch betrachten, indem entweder Argumente der Kritik am Film gewürdigt werden oder aber einzelnen Hinweisen aus abwägenden Kommentaren Aufmerksamkeit geschenkt wird, durch die ebenso manche der Unterschiede (s.o.) zwischen der Kometenbedrohung und etwa dem Klimawandel markiert werden.[17] Es ist darüber hinaus sogar möglich, die Beschäftigung mit dem Film allgemeiner fortzuführen, indem man einen kurzen Podcast auf Inforadio von Sven Dröge am 05.01.22 als Ausgangspunkt nimmt, um über gelungene oder misslungene wissenschaftliche Krisenkommunikation zu diskutieren (dazu bieten die letzten zwei Pandemiejahre selbstredend allerlei Material).[18] Geben der zeitliche Umfang und die thematische Ausrichtung der Sequenz oder Einheit eine solche Fortsetzung her, dann wäre es möglich, diesen sowohl kommunikationstheoretischen als auch -ethischen Schwerpunkt mittels eines Debattenbeitrags des Kommunikationswissenschaftlers Bernhard Pörksen auf Spiegel online am 15.01.21 zu vertiefen.[19] Pörksen beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Pathologien alltäglicher und massenmedialer Kommunikation und hat zuletzt u.a. ein sehr lesenswertes Buch mit dem Titel Die große Gereiztheit. Wege aus der kollektiven Erregung (2018) veröffentlicht.[20] Er greift ähnliche affektgeladene Motive des Films auf, nimmt aber ebenso dessen Publikum in die Pflicht, dem er unterstellt, dass es sich in Milieus – vor allem digital – abschotte[21] und zudem Faszination für ein apokalyptisches Spektakel besitze.[22] An solchen Thesen sollten sich schließlich die Schüler*innen messen lassen – und ganz sicher auch ihre Lehrer*innen.
Der Film als Spektakel – Kulturindustrie oder Aufklärung?
Doch auch der Film selbst sollte sich an einer letzten Frage messen lassen, die in den Kritiken und Kommentaren – wenn überhaupt – eher noch beiläufig auftaucht. Pörksen reflektiert den Film als „Spektakel“ (s.o.) und greift damit einen alten Topos der Kulturkritik auf, wie er vor allem durch die Kritischen Theoretiker*innen aus Frankfurt (aber auch aus Frankreich, etwa bei Guy Debord) gepflegt wurde. Nach diesen handelte es sich bei dem Film – etwas verkürzt gesagt – um ein Produkt der Kulturindustrie, das die Menschen von der Analyse gesellschaftlicher Gegebenheiten, etwa in ökologischer Hinsicht, nur abhalte. Deshalb sollte zwischen „kollektiver Erregung“ (s.o.), die durch den Film ausgelöst wird, und der individuellen sinnlichen Affizierung, die der Film als Film bei Rezipient*innen auslösen kann, unterschieden werden. Auf der Hoffnung, dass letztere einen Unterschied macht, basiert auch der hier gewählte Ansatz, der u.a. davon ausgeht, dass das Filmmedium als von Texten abweichendes Unterrichtsmedium bei Schüler*innen einen Zugang zu für den Unterricht relevanten Problemorientierungen ermöglicht. Im besten Falle verbündeten sich die sarkastische Kritik und der düstere Humor des Films, aber auch dessen Drastik, indem sie bei Schüler*innen ungewohnte Wahrnehmungen und neuartige Reflexionen auslösten. Sollte dieser Effekt eintreten, dann würde dadurch ggf. das sogenannte Motivationsproblem, das in Kontexten der Bildung für nachhaltige Entwicklung, aber vor allem im Umgang mit der Klimakatastrophe eine große Rolle spielt und oftmals sinnvolles individuelles – und in der Konsequenz kollektives – Handeln verhindert[23], immerhin für den Moment der Beschäftigung mit diesem Film verflüssigt. Dies wäre ein Ausdruck sinnlicher Kritik, der in der Tradition der Aufklärung stünde und gegen die Kritik an der Kulturindustrie – ebenso gegen Blumenbergs metaphysische Skepsis – verteidigt werden sollte. Im schlimmsten Fall wären die zahlreichen Rezipient*innen des Films – auch solche, die über den Film von McKay ihre Rezensionen, Kommentare oder etwa diesen Essay schreiben – vergleichbar mit jenen willfährigen Produser*innen in dem Film. In Zeiten, in denen immer mehr Ideen zur Entnetzung (vgl. Stäheli 2021) gefragt sind, um etwa ernsthaft Brüche zu erwägen, die zu einer tatsächlichen Nachhaltigkeit führen könnten, wirkt es fast verrückt, ausgerechnet auf einen Netflix-Hit mit Starbesetzung zu hoffen, der den Abonnenten nur einen weiteren Pandemiewinter etwas versüßt. Das nervt gewiss an dem Film, zumindest wenn er, ausgerechnet auch noch als Überraschung zum konsumistischen Weihnachtsfest, auf Netflix gestreamt wird, dass dessen Kritik an Sozialen Medien in einem Medium artikuliert wird, dass seit vielen Jahren die profitorientierte, nicht-nachhaltige Vernetzung stark vorangetrieben hat (und u.a. viele Kinos gefährdet).
Doch zugleich nervt auch die Kritik daran, die gewissermaßen ein alter Hut ist. Insofern kann der satireartige bis sarkastische Film und dessen didaktische Reflexion nicht frei sein von Hoffnung. Nämlich darauf, dass er in all seiner überlangen Zuspitzung bis zur Absurdität uns das zumutet, was etwa Adorno noch für die Psychoanalyse formulierte – dass an ihr „nichts wahr [ist] als ihre Übertreibungen“ (1969, S. 56). Das Vertrauen in die performativen Wirkungen dieser ästhetischen Gestaltung des Films durch McKay fordert auch Maximilian Probst in der Zeit 03/22 ein, in dessen Kommentar der Appell Bewegt uns! recht optimistisch seine Artikulation gewinnt und in dessen Unterüberschrift betont wird[24]: „Wissenschaft kommt traditionell nüchtern daher. Angesichts von Pandemie und Klimakatastrophe sollte sie aber auch Gefühle ansprechen, so wie im Hollywood-Film „Don’t Look Up“. Ein Plädoyer für Tränen, Wut und Humor“ (2022, S. 36). Probst misstraut aber seinem eigenen Optimismus, wenn er schließt: „Doch werden Tränen, Wut und Verzweiflung uns am Ende retten? Fest steht, in einer sich erwärmenden Welt weiter cool zu bleiben ist keine Lösung, sondern Teil des Problems. Coolness ist eine Form, Distanz zu wahren, sich von der Katastrophe nicht berühren zu lassen – und deshalb auch nichts dagegen zu tun“ (ebd.). Vielleicht liegt eine schwierige Aufgabe der Gegenwart und vor allem der Zukunft darin, Optimismus und Pessimismus nicht als ein Entwederoder zu begreifen, sondern als ein Sowohlalsauch. Auch dies wäre mit Schüler*innen in aller Vorsicht offen zu diskutieren. Dann wäre der kulturindustrielle Film sowohl ein Spektakel als auch nicht frei von Effekten der Aufklärung. Für Probst wiederum ist in diesem spannungsvollen Horizont der Humor (und sei es auch ein sarkastischer) in seiner Funktion von besonderer Wichtigkeit: Er verweist auf psychologische Erkenntnisse, wonach das Lachen bzw. das Lachenmachen immerhin die vage Chance mit sich bringe, die Verhärtungen der Polarisierungen bzw. Habitus des Ignorierens, Marginalisierens und Diffamierens aufzubrechen, um Adressat*innen für ernste und faktenbasierte Kritik überhaupt wieder empfänglich zu machen (das setzt voraus, dass letzteren das Lachen nicht längst im Halse stecken blieb oder längst auf einen anderen Film oder in ein anderes Netzwerk weitergeklickt worden ist). Menschen dürften dann nicht einzeln oder paarweise in der Höhle eines Kinos – oder inmitten des privatisierenden und normierenden Netzwerks Netflix – sitzen bleiben, sondern sie sollten, falls eine Veränderung überhaupt erwünscht ist, gemeinschaftlich unter den offenen Himmel treten.
Text: Florian Wobser (2022)
Bild: freepix, kjpargeter, https://de.freepik.com/fotos-kostenlos/meteorite-annaeherung-an-die-erde_879717.htm#query=komet&position=6&from_view=search
Literatur (ohne die bereits angegebenen Links)
Adorno, Theodor W. (1969): Minima Moralia. Reflexionen über das beschädigte Leben. Frankfurt am Main; Suhrkamp.
Blumenberg, Hans (1987): Das Lachen der Thrakerin. Eine Urgeschichte der Theorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Daub, Adrian (22021): Was das Valley denken nennt. Berlin: Suhrkamp.
Horn, Eva (2014): Zukunft als Katastrophe: Frankfurt: Fischer.
Platon (1998): Theätet. Sämtliche Dialoge (S. 1-195). Hamburg: Meiner.
Pörksen, Bernhard (2018): Die große Gereiztheit. Wege aus der kollektiven Erregung. München: Hanser.
Pörksen, Bernhard (2022): Das Prinzip der toten Katze. Spiegel 03/22. S. 50.
Probst, Maximilian (2022): Bewegt uns!. Die Zeit 03/22. S. 36.
Stäheli, Urs (2021): Soziologie der Entnetzung. Berlin: Suhrkamp.
Trempler, Jörg (2013): Katastrophen. Ihre Entstehung aus dem Bild. Berlin: Wagenbach.
[1] Für einen ersten Überblick zum Personal oder formalen Angaben ist – wie fast immer in popkulturellen Kontexten – Wikipedia hilfreich: https://de.wikipedia.org/wiki/Don%E2%80%99t_Look_Up. Eine ausführliche Bilderserie findet sich auf folgender Seite: https://www.filmstarts.de/kritiken/281330/bilder/?cmediafile=21878317.
[2] Vgl. hierzu bereits meinen früheren Beitrag: https://doinggeoandethics.com/2021/01/18/unterrichtsmedien-zur-klimakrise-im-vergleich-teil-i-bilder-oder-diskurs/.
[3] Don’t Look Up weist nicht nur eine Intermedialität mit früheren Filmen auf, sondern aus der Sicht einer am Bildakt orientierten Bildwissenschaft handelt es sich nach Jörg Trempler beim zwischen Natur (man denke an Vulkanausbrüche wie im antiken Pompeji) und Religion (Motiv des Jüngsten Gerichts) oszillierenden Bild eines auf die Erde zurasenden Kometen um eine Art metapicture (2013, S. 9f.), das fiktional ist, aber als virtuelles Ereignis immer real werden könnte. Zugespitzt gesagt ist der Film – auch ohne explizite Übertragung auf die Gegenwart – die zukünftige Katastrophe.
[4] Vgl. https://doinggeoandethics.com/2021/07/12/transformation-des-denkens-und-handelns-vorstellung-aktueller-interventionen-teil-iii-eva-horn-und-hannes-bergthaller-anthropozan-2019/
[5] Eva Horn untersucht zahlreiche populäre Filme und Romane, die ein Futur II katastrophisch inszenieren, das auf eine Welt nach dem Menschen (wie wir ihn kennen) verweist. Sie weist indirekt auf einen weiteren Unterschied zwischen Klimakrise (oder Pandemie) und Kometeneinschlag hin: Während jene eine Metakrise (2020, S. 19f.) sei, die ohne Ereignis auskomme, handelt es sich in McKays Film um das eine Megaereignis schlechthin (der menschlichen Verantwortung enthoben, in seiner plötzlichen Wirkung aber genauso apokalyptisch wie etwa ein Atomkrieg; ebd., S. 77-109).
[6] In den letzten Jahren habe ich mich mit der mediensensiblen Durchführung dieser Methode beschäftigt; vgl. etwa zu einem anders angelegten Beispiel Alexander Kluges: https://www.praefaktisch.de/gedankenexperimente/gedanken-als-wahrnehmungsexperimente-ueberlegungen-zu-audiovisuellen-fake-gespraechen-alexander-kluges/
[7] Natürlich ist es – vorerst? – nicht möglich, Netflix in der Schule zu streamen. Als Privatisierung und Normierung von Unterrichtsmedien ist es auch kaum erstrebenswert. Zudem sind (überlange) Spielfilme didaktisch sinnvoll lediglich in Auszügen zu zeigen. Da Abos von Streamingdiensten privat sehr verbreitet sind, könnte man die Schüler*innen bitten, den (gesamten) Film, ggf. gemeinsam in Kleingruppen, außerhalb der Schule zu schauen. Dazu sollten die Lernenden einen auf das Unterrichtskonzept abgestimmten Rezeptionsauftrag erhalten. Dieser könnte auch zuvor ausgewählte Szenen als Schwerpunkte für die folgende/n Unterrichtsstunde/n benennen und betreffen.
[8] So vollzieht etwa das oben gezeigte Film-Still – das sei hier exemplarisch betont – einen dramatisierenden Ausdruck, der durch die Kameraperspektive der maximalsten Draufsicht (aus dem All auf die Erde) erzeugt wird; wie bei allen Filmen von McKay gibt es nicht zuletzt einen sehr auffälligen Soundtrack, der genauso berücksichtigt werden sollte wie all die auditiven und visuellen Mittel, die den Figuren ihre z.T. idiosynkratischen Ausdrucksformen verleihen.
[9] Vgl. hierzu insgesamt meine kleine Serie zu Unterrichtsmedien zur Klimakrise (Januar/Februar 2021).
[10] Oder auch: https://www.youtube.com/watch?v=__OkZbeSdL0&ab_channel=SRFKultur.
[11] Die Figur geht auf Heinrich Hoffmanns Struwwelpeter (1845) zurück, einem Kinderbuchklassiker der sogenannten schwarzen Pädagogik, die Zöglinge durch das Einjagen von Angst und die Androhung von Strafen adressiert.
[12] Vgl. etwa den kurzen Bericht zu Thales in: Platon, Theätet Stephanus-Paginierung 174a/b, der möglicherweise von Aesop übernommen worden ist und nach Blumenberg auch auf den Habitus des platonischen Sokrates übertragen wird und damit die westliche Philosophiegeschichte mitprägt (1987, S. 13-22).
[13] Nach Hans Blumenberg fallen in der Thales-Anekdote Theorie als exotisches Verhalten (1987, S. 9-12) und Metaphorizität des Denkens in eins. Indem McKay diesen Umstand indirekt mit aufgreift, weist die Medialität des Films eine Tiefe auf, in der sich Theorie, Sichtbarkeit und Kampf um Wahrheit verschachteln. Während Thales in den Brunnen fiel, weil er von Sternen fasziniert war, droht im Film die Apokalypse, weil der Blick in den Himmel verweigert wird – zugleich gilt für den Film-Plot mehr als für Thales der erste Satz Blumenbergs: „Theorie ist etwas, was man nicht sieht“ (ebd., S. 9).
[14] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Smombie
[15] Vgl. in aller Kürze Katja Nicodemus in der ZEIT 51/21: https://www.zeit.de/2021/51/us-kinofilme-dont-look-up oder Eugen Epp am 27.12.21 auf Stern online: https://www.stern.de/kultur/film/-don-t-look-up—der-netflix-film-soll-uns-endlich-die-augen-oeffnen-31454892.html.
[16] So schreibt Claudius Seidel in der FAZ am 30.12.21: „So ist Verständigung leider nicht möglich – es sind aber die Missverständnisse, die diesen Film so vergnüglich machen. Und am besten missversteht man ihn so, dass er feiert, was er angeblich kritisieren will: dieses bunte, laute, profund oberflächliche, hyperaktive und aufmerksamkeitsdefizitäre Gewirr aus Politik, Pop und Internetkommunikation“ (vgl. https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/don-t-look-up-bei-netflix-ueber-politiker-medien-und-das-volk-17707064.html). Oder Christian Stöcker, der auf Spiegel online eine ökologische Kolumne schreibt, die oft Klimathemen verhandelt, betont: „Man kann sehr gut verstehen, warum Leute, die sich mit dem Zustand der Erde professionell beschäftigen, den Film rein gar nicht zu schrill oder gar plump finden. Nichts könnte so schrill und plump sein wie die Realität“ (vgl. https://www.spiegel.de/wissenschaft/don-t-look-up-auf-netflix-der-bizarre-streit-zwischen-kritik-und-klimaforschung-a-d37160d4-ae3b-49d4-9a8f-d3b3bbfdcd3f).
[17] Vgl. Rainer Schüller für Der Standard (28.12.21): https://www.derstandard.de/story/2000132194590/dont-look-up-was-wir-vom-netflix-hit-fuer-das;
Alina Schadwinkel für Spektrum (04.01.21): https://www.spektrum.de/kolumne/klimawandel-dont-look-up-nimmt-es-mit-wissenschaftsleugnern-auf/1967161;
Sven Titz für die NZZ (07.01.21): https://www.nzz.ch/wissenschaft/im-film-dont-look-up-finden-sich-viele-wissenschafter-wieder-ld.1663406.
[18] Vgl. https://www.inforadio.de/rubriken/wissen/wissenswerte/2022/01/-don-t-look-up—ein-netflix-film-und-die-krisenkommunikation.html.
[19] Vgl. https://www.spiegel.de/kultur/don-t-look-up-was-das-netflix-phaenomen-fuer-den-journalismus-lehrt-a-85180cd5-f43b-4de0-a0c1-61701a7405d9.
[20] Vgl. https://www.hanser-literaturverlage.de/buch/die-grosse-gereiztheit/978-3-446-25844-0/.
[21] McKay mache nach Pörksen u.a. die „Aporie, das super wicked problem unserer Zeit [begreifbar]. Sie besteht darin, dass wir mit Krisen konfrontiert sind, die nichts so sehr brauchen wie kompetent einordnende Gatekeeper, wissenschaftliche und journalistische Instanzen, die mit der nötigen Expertise und Autorität sortieren, filtern und robustes Wissen von falschen Behauptungen trennen. Und dass wir gleichzeitig in einer Medienumwelt leben, in der sich diese Expertise und Autorität so leicht wie nie zuvor ignorieren, marginalisieren und diffamieren lassen“ (2022, S. 50).
[22] Diese These von Pörksen ist aus meiner Sicht wichtig, da offenbar ebenso – das beschäftigt mich schon länger – all der Trotz inmitten von Sars-CoV-2 darauf abzielt, dass die Krise nicht (oder erst in der endgültigen Katastrophe) ende. Dieser Umstand ist in dreifacher Hinsicht abermals mit Blumenberg auf den Film McKays zu beziehen: Erstens sei die Person, die Theorie betreibt, in einer Situation zwischen Komik und Tragik (1987, S. 33-41) gefangen, was sich im Plot des Film an den Protagonist*innen Dibiasky und Mindy zeigt. Zweitens gilt diese ambivalente Position ebenfalls für die Rezipient*in des Films, die sich von außen einen Reim auf das Verhalten des restlichen Personals machen möchte. Drittens gilt nach Blumenberg, dass der Schiffbruch mit Zuschauern eine weitere Daseinsmetapher sei (1979), die sich innerhalb des Films (etwa aus der Perspektive Dibiaskys auf alle anderen) genauso wie von außerhalb (die Zuschauer*innen sehen also bis zu den allerletzten Szenen des langen Films anderen beim Schiffbruch zu) durchgängig zeigt. Blumenberg selbst hat sich im Übrigen in seinem Werk für den Menschen als Bewohner*in des Alls interessiert, dessen Sinnhaftigkeit permanent durch diese heikle Lage einer fundamentalen Bedrohung ausgesetzt ist.
[23] Vgl. https://doinggeoandethics.com/2021/02/01/das-motivationsproblem-unterrichtsmedien-zur-klimakrise-im-vergleich-teil-ii/.
[24] Vgl. https://www.zeit.de/2022/03/dont-look-up-klimaforschung-politik.
Text: Florian Wobser
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