Lösungsorientierte Didaktik

Die für die Oberstufe entwickelte lösungsorientierte Geographiedidaktik nach Hoffmann (2018a, b) geht bei einer Unterrichtsreihe nicht vom Problem aus, sondern von der Lösung, um dann kritisch zu fragen, welche Probleme diese löst und ob sie dies hinreichend tut. Erst im Anschluss wird der Problemkomplex genauer erörtert. Abschließend wird nach weiteren und ggf. besseren Lösungsbeispielen gesucht. Im Folgenden wird eine ausgearbeitete Einstiegsdoppelstunde als Beispiel für die Unterstufe gezeigt.

Plastik im Meer (Teil II): Die Gefährung des Ökosystems Meer 
Plastik im Meer (Teil IIII): Schmuck aus alten Fischernetzen 

Das Beispiel des Pacific Garbage Screening (Sachanalyse)

Die junge Architektin Marcella Hansch hat in ihrer Abschlussarbeit die auf dem oberen Foto abgebildete Anlage entwickelt, die die Herausforderung berücksichtigt, dass Plastik eigentlich schwimmt, aber durch Strömungen in die Tiefe gedrückt wird. Die Anlage kann die Strömungen beruhigen, so dass Kunststoff – sowohl in großen als auch kleinen Teilen – wieder an die Oberfläche gelangt und abgeschöpft werden kann. Nur der Kunststoff in großen Tiefen kann nicht erreicht werden. Fische und andere Meeresbewohner werden durch die offene Bauweise nicht geschädigt. Das gewonnene Plastik kann sogar in Biokunststoffe und saubere Energie umgewandelt werden.

Die Geschichte der Architekturstudentin endete nicht mit der Konstruktion eine Modells für ihre Abschlussarbeit an der Universität Aachen. Die Studentin hat es geschafft mittels Crowdfunding und Öffentlichkeitsarbeit erst den Verein Pacific Garbage Sreening e.V. und schließlich das Start-Up „everwave“ zu gründen, das seit 2018 den Fokus nicht mehr auf die Meer-, sondern auf die Flussreinigung legt, damit Plastik gar nicht erst ins Meer gelangt. Mittlerweile wird eine Kombination aus Filter-Modellen und Müllsammelbooten angewendet.

Seit 2020 werden die ersten Flüsse damit gereinigt, wie etwa 2021 die Donau bei Belgrad in Serbien. Es handelt sich damit um ein lokales Beispiel mit globaler Entwicklung. Genauere Informationen finden sich z.B. unter https://everwave.de.

Eignung des Beispiels (Didaktische Analyse)

Diese Lösung eignet sich in besondere Weise als Beispiel für die Thematisierung eines lösungsorientierten Ansatzes im Unterricht, da mit der tatsächlich umgesetzten Lösung aus einer Abschlussarbeit etwas Großes, Globales in Gang gesetzt wurde. Die persönliche Geschichte des Engegaments von Marcella Hansch, die eng an dieses Projekt geknüpft ist, kann Mut machen und eigenen Identifikationsangebote bieten. Für Schüler*innen der Unterstufe ist Marcella Hansch vom Alter her zwar weiter weg als für junge Erwachsene, die die Oberstufe besuchen, doch vermittelt ihre offene und ehrliche Art eine Nähe, an die auch jüngere Kinder anschließen können. Die im im folgenden Video angesprochenen Vielfalt des Lösungsansatzes, die auch das Bewusstsein der Menschen in den Blick nimmt, eröffnet auch die Möglichkeit für kritische Nachfragen.

Das zweite Beispiel, das stärker auf der lokalen Ebene angesiedelt ist, soll zum einen ein weiteres Problemfeld ansprechen und zum anderen am Ende den Transfer zum Nahbereich der Schüler*innen herstellen. Es handelt sich um ein Video über die Schülerin Leonie Prillwitz, die 2019 beim Wettbewerb „Jugend Forscht“ einen Preis für ihre Erfindung von Mikroplastikfiltern für Wachmaschinen gewonnen hat.

Vorgehen im Unterricht

Im Sinne des lösungsorientierten Ansatzes soll am Anfang der Unterrichtsreihe zum Lehrplanthema „ökologische Belastungen der Meere (z.B. Plastikmüll)“ (z.B. Bayern Gymnasium 7. Klasse) und nach Hoffmann lösungsorientiert formuliert „Die Meere, die wir wollen“ (2018a), die Geschichte von Marcella Hansch und ihrem Projekt des Pacific Garbage Screening stehen.

Als Einstieg wird das folgende Foto gezeigt, das aus der Abschlussarbeit von Hansch stammt und Raum für Spekulationen bieten kann. Es geht also zunächst um eine offene Bildbeschreibung. Die ästhetische Wirkung soll sich hier entfalten können. Zudem soll das Thema lösungsorientiert eröffnet werden, indem am Ende die Frage steht, welche Meere wir wollen.

© everwave
Mögliche Leitfragen/Arbeitsaufträge 
1. Beschreibe das Bild. 
2. Stelle Vermutungen darüber an, was der Gegenstand für einen Zweck hat. 
3. Formuliere Fragen an das Bild. Wie sehen für euch die Meere der Zukunft aus? Zeichne deine Zukunftsvorstellung vom Meer.
4. Begründe, welche der unten abgebildeten Ziele für nachhaltige Entwicklung (aus der Agenda 2030) beim Thema „Meer“ im Vordergrund stehen.

Nun kann im Anschluss daran das Beispiel mittels eines fünfminütigen Videos vorgestellt und kritisch geprüft werden. Die Auflösung davon, was das Foto zeigt, erfolgt also erst über das Video. Vor dem Anschauen des Videos wird die Klasse in zwei Hälften eingeteilt. Jede Hälfte bearbeitet jeweils einen der unteren Arbeitsaufträge. Unbekannte Begriffe, die vorher geklärt werden könnten, sind Crowdfunding und Kongress.

Mögliche Leitfragen/Arbeitsaufträge 
1. Notiere dir wichtige Stichpunkte auf dem Zeitstrahl zur Geschichte von Marcella Hansch. 
2. Notiere dir Antworten auf die folgenden Leitfragen: Welche Probleme werden angegangen? Wie werden sie gelöst? 
3. Nenne wichtige Gründe dafür, warum das Projekt so ein Erfolg wurde.

Didaktischer Hinweis: Je nach Stärke der Klasse, kann hier mehr oder weniger vorgegeben sein. Die Ergebnisse dürfen sich unterscheiden. Die Ergebnisse werden zusammengetragen und festgehalten. Im Folgenden sollen mögliche Erfolgsformeln, die wichtig für das Gelingen waren, aus den erarbeiteten Aufgaben identifiziert werden: Im Anschluss können im Sinne des systemischen Denkens anhand der unteren Concept Map die Ergebnisse vertieft und kritisch nachgefragt werden. Auch das eigene Handeln kann verortet werden.

Mögliche Leitfragen/Arbeitsaufträge 
1. Ergänzt gemeinsam in der Klasse die folgende Concept Map 
2. Begründe, an welcher Stelle du dich in der Concept Map befindest. Zeichne dich ein und ergänze von dir ausgehend beschriftete Pfeile zu den anderen Feldern 
3. Diskutiert ausgehend von der folgenden Concept Map: Wo kann man noch ansetzen, das Problem zu lösen? Was bringt vielleicht nur begrenzt etwas? Welche Probleme gibt es außerdem, die noch beachtet werden müssen? Welche anderen Lösungen müsste es dafür geben?
4. Sammelt Fragen, die ihr an das Unternehmen everwave habt. Eure Lehrkraft kann eure Fragen an das Unternehmen weiterleiten.

Lösungen zum Download:

Didaktischer Hinweis: Falls es sich um schwächere Klassen handelt oder die Methode neu ist, kann die Concept Map auch stärker oder ganz vorgegeben und nur besprochen werden.

In der Transferphase wird ein lokal verankertes Beispiel betrachtet:

Mögliche Leitfragen/Arbeitsaufträge 
1. Erzähle von deinen spontanen Eindrücken. 
2, Erkläre, welches Problem hier im Vordergrund steht und wie es gelöst wird. 
3. Nenne Erfolgsformeln aus dem ersten Beispiel, die für die Weiterverbreitung der Idee helfen könnten. Überlege, wo du Schwierigkeiten siehst.

Weiteres Vorgehen im Unterricht

An die Betrachtung der Lösungen (eine Doppelstunde und je nach Zeit das zweite Video als Einstieg in die nächste Stunde oder in der Doppelstunde) schließt sich die „klassische“ Frage an, worin die Probleme bestehen und wie sie zustande kommen. Es kann also ausgehend von der ersten Vernetzung „Ich-Plastikverbrauch-Plastik im Fluss- Plastik im Meer-Lösungsansätze“ weitergearbeitet werden. Am Ende der gesamten Unterrichtsreihe sollen abermals Lösungen stehen, die das Problem angehen. Denkbar sind etwa die Züchtung von plastikzersetzenden Bakterien bzw. Pilzen oder Gully-Filtersysteme.

Eine Anwendung auf Mittel- oder Oberstufe ist über andere Videos möglich, die eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Technik zeigen.

Text & Unterrichtsentwurf: Marie Ulrich-Riedhammer

Bild: everwave.de

Literaturhinweise:

Hoffmann, T. (2018a). TERRA Globale Herausforderungen 1. Die Zukunft, die wir wollen. Stuttgart: Klett.

Hoffmann, T. (2018b). Gerüstet für die Zukunft. Aufgaben des Geographieunterrichts. Praxis Geographie 1, 4-9.